Sämtliche Dramen
Erkauf!
Angelo
.
Noch eben schien das Recht Euch ein Tyrann,
Und Eures Bruders Fehltritt dünkt’ Euch mehr
Ein Scherz als ein Verbrechen.
Isabella
.
O gnäd’ger Herr, verzeiht! Oft ist der Fall,
Zu haben, was man wünscht, spricht man nicht, wie man’s meint.
So mocht’ ich das Verhaßte wohl entschuld’gen
Zum Vorteil dessen, der mir teuer ist.
Angelo
.
Schwach sind wir alle.
Isabella
.
Sonst möcht’ er immer sterben,
Wenn kein Vasall als er allein der Schwachheit –
Oh, wir sind alle der Versuchung Erben! –
Angelo
.
Nun, auch das Weib ist schwach! –
Isabella
.
Ja, wie der Spiegel, drin sie sich beschaut,
So leicht zerbricht, als er Gestalten prägt.
Das Weib! Hilf Gott! Der Mann entweiht ihr Edles,
Wenn er’s mißbraucht. Nennt mich denn zehnmal schwach,
Denn wir sind sanft, wie unsre Bildung ist,
Nachgiebig falschem Eindruck.
Angelo
.
Ja, so ist’s:
Und auf Eu’r eignes Zeugnis Eurer Schwäche
(Denn auch wir Männer, mein’ ich, sind nicht stärker,
Als daß uns Fehler schütteln) dreist nun sprech’ ich:
Ich halte dich beim Wort: sei, was du bist,
Ein Weib; willst mehr du sein, so bist du keins;
Und bist du eins (wie all dein äußrer Reiz
So holde Bürgschaft gibt), so zeig’ es jetzt,
Und kleide dich in die bestimmte Farbe!
Isabella
.
Ich hab’ nur eine Zunge: teurer Herr,
Ich fleh’ Euch an, sprecht Eure vor’ge Sprache!
Angelo
.
Ich sag’ es frei und klar, ich liebe dich.
Isabella
.
Mein Bruder liebte Julien, und Ihr sagt,
Er müsse dafür sterben.
Angelo
.
Liebst du mich, Isabella, soll er nicht.
Isabella
.
Ich weiß es, Eurer Würde ward dies Vorrecht,
Sie scheint ein wenig schlimmer, als sie ist,
Und prüft uns andre.
Angelo
.
Glaub’, auf meine Ehre,
Mein Wort spricht meinen Vorsatz.
Isabella
.
O kleine Ehre, so viel ihr zu glauben!
Und Gott verhaßter Vorsatz! Schein, o Schein! –
Ich werde dich verkünden, sieh dich vor:
Gleich unterzeichne mir des Bruders Gnade,
Sonst ruf ich’s aller Welt mit lautem Schrei,
Was für ein Mann du bist.
Angelo
.
Wer glaubt dir’s, Isabella?
Mein unbefleckter Ruf, des Lebens Strenge,
Mein Zeugnis gegen dich, mein Rang im Staat
Wird dein Beschuld’gen überbieten,
Daß du ersticken wirst am eignen Wort,
Und nach Verleumdung schmecken. Ich begann;
Und nun, entzügelt, nehmt den Lauf, ihr Sinne:
Ergib dich meiner glühenden Begier,
Weg sprödes Weigern, zögerndes Erröten,
Das abweist, was es wünscht; kauf’ deinen Bruder,
Indem du meinem Willen dich ergibst;
Sonst muß er nicht allein des Todes sterben,
Ja, deine Härte soll den Tod ihm dehnen
Durch lange Martern. Antwort gib mir morgen;
Denn, bei der Leidenschaft, die mich beherrscht,
Ich werd’ ihm ein Tyrann! Und dir sei klar,
Sprich, was du kannst; mein Falsch besiegt dein Wahr.
Geht ab.
Isabella
.
Wem sollt’ ich’s klagen? Wem ich dies erzählte,
Wer glaubte mir’s? O gleisnerischer Mund,
Der mit der einen und derselben Zunge
Verdammnis spricht und Billigung zugleich!
Der das Gesetz nach Willkür schweigen heißt,
Und krümmt nach seinen Lüsten Recht und Unrecht,
Sich ihm zu schmiegen! Hin zum Bruder eil’ ich,
Und fiel er auch durch allzu heißes Blut,
Doch lebt in ihm so großer Geist der Ehre,
Daß, hätt’ er zwanzig Häupter hinzustrecken
Auf zwanzig blut’ge Blöck’, er böte sie,
Eh’ seine Schwester ihren Leib entheiligt
In so abscheulicher Entweihung.
Ja, Claudio, stirb: ich bleibe keusch und rein;
Mehr als ein Bruder muß mir Keuschheit sein.
Ich sag’ ihm noch, was Angelo beschieden,
Dann geh’ er durch den Tod zum ew’gen Frieden.
Geht ab.
¶
DRITTER AUFZUG
Erste Szene
Im Gefängnis.
Es treten auf der Herzog, Claudio und der Schließer.
Herzog
.
So hofft Ihr Gnade von Lord Angelo?
Claudio
.
Im Elend bleibt kein andres Heilungsmittel,
Als Hoffnung nur:
Ich hoffe Leben, bin gefaßt auf Tod.
Herzog
.
Sei’s unbedingt auf Tod! Tod so wie Leben
Wird dadurch süßer. Sprich zum Leben so:
Verlier’ ich dich, so geb’ ich hin, was nur
Ein Tor festhielte. Sprich: du bist ein Hauch,
Abhängig jedem Wechsel in der Luft,
Der diese Wohnung, die dir angewiesen,
Stündlich bedroht; du bist nur Narr des Todes,
Denn durch die Flucht strebst du ihm zu entgehn,
Und rennst ihm ewig zu. Du bist nicht edel;
Denn alles Angenehme, das dich freut,
Erwuchs aus Niederm. Tapfer bist du nicht;
Du fürchtest ja die zartgespaltne Zunge
Des armen Wurms: – dein bestes
Weitere Kostenlose Bücher