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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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der Geburt zu ersetzen, so bestreben sich jene, mit rühmlicher Wetteiferung, ihre angeborne Würde durch die glänzendsten Verdienste zu erhöhen.
    Abt .
    Ei!
    Liebetraut .
    Sag’ einer, was man nicht erlebt. So fleißig wie ein Deutscher von Adel! Das hab’ ich mein Tage nicht gehört.
    Olearius .
    Ja, sie sind die Bewunderung der ganzen Akademie. Es werden ehestens einige von den ältesten und geschicktesten als Doctores zurückkommen. Der Kaiser wird glücklich sein, die ersten Stellen damit besetzen zu können.
    Bischof .
    Das kann nicht fehlen.
    Abt .
    Kennen Sie nicht zum Exempel einen Junker? – Er ist aus Hessen –
    Olearius .
    Es sind viel Hessen da.
    Abt .
    Er heißt – er ist – Weiß es keiner von Euch? – Seine Mutter war eine von – O! Sein Vater hatte nur ein Aug – und war Marschall.
    Liebetraut .
    Von Wildenholz?
    Abt .
    Recht – von Wildenholz.
    Olearius .
    Den kenn’ ich wohl, ein junger Herr von vielen Fähigkeiten. Besonders rühmt man ihn wegen seiner Stärke im Disputieren.
    Abt .
    Das hat er von seiner Mutter.
    Liebetraut .
    Nur wollte sie ihr Mann niemals drunt rühmen.
    Bischof .
    Wie sagtet Ihr, dass der Kaiser hieß, der Euer Corpus juris geschrieben hat?
    Olearius .
    Justinianus.
    Bischof .
    Ein trefflicher Herr! Er soll leben!
    Olearius .
    Sein Andenken! (Sie trinken.)
    Abt .
    Es mag ein schön Buch sein.
    Olearius .
    Man möchte’s wohl ein Buch aller Bücher nennen; eine Sammlung aller Gesetze; bei jedem Fall der Urteilsspruch bereit; und was ja noch abgängig oder dunkel wäre, ersetzen die Glossen, womit die gelehrtesten Männer das vortrefflichste Werk geschmückt haben.
    Abt .
    Eine Sammlung aller Gesetze! Potz! Da müssen wohl auch die zehn Gebote drin sein.
    Olearius .
    Implicite wohl, nicht explicite.
    Abt .
    Das mein’ ich auch, an und vor sich, ohne weitere Explikation.
    Bischof .
    Und was das Schönste ist, so könnte, wie Ihr sagt, ein Reich in sicherster Ruhe und Frieden leben, wo es völlig eingeführt und recht gehandhabt würde.
    Olearius .
    Ohne Frage
    Bischof .
    Alle Doctores juris!
    Olearius .
    Ich wird’s zu rühmen wissen. (Sie trinken.) Wollte Gott, man spräche so in meinem Vaterland!
    Abt .
    Wo seid Ihr her, hochgelahrter Herr?
    Olearius .
    Von Frankfurt am Main. Ihro Eminenz zu dienen.
    Bischof .
    Steht Ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?
    Olearius .
    Sonderbar genug. Ich war da, meines Vaters Erbschaft abzuholen; der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei ein Jurist.
    Abt .
    Behüte Gott!
    Olearius .
    Aber das kommt daher: Der Schöppenstuhl, der in großem Ansehen weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der Römischen Rechte unkundig sind. Man glaubt, es sei genug, durch Alter und Erfahrung sich eine genaue Kenntnis des innern und äußern Zustandes der Stadt zu erwerben. So werden, nach altem Herkommen und wenigen Statuten, die Bürger und die Nachbarschaft gerichtet.
    Abt .
    Das ist wohl gut.
    Olearius .
    Aber lange nicht genug. Der Menschen Leben ist kurz, und in einer Generation kommen nicht alle Kasus vor. Eine Sammlung solcher Fälle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch. Und dann ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht heute das recht, was der andere morgen missbilligt; und so ist Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich. Das alles bestimmen die Gesetze; und die Gesetze sind unveränderlich.
    Abt .
    Das ist freilich besser.
    Olearius .
    Das erkennt der Pöbel nicht, der, so gierig er auf Neuigkeiten ist, das Neue höchst verabscheut, das ihn aus seinem Gleis leiten will, und wenn er sich noch so sehr dadurch verbessert. Sie halten den Juristen so arg, als einen Verwirrer des Staats, einen Beutelschneider, und sind wie rasend, wenn einer dort sich niederzulassen gedenkt.
    Liebetraut .
    Ihr seid von Frankfurt! Ich bin wohl da bekannt. Bei Kaiser Maximilians Krönung haben wir Euern Bräutigams was vorgeschmaust. Euer Name ist Olearius? Ich kenne so niemanden.
    Olearius .
    Mein Vater hieß Ölmann. Nur, den Missstand auf dem Titel meiner lateinischen Schriften zu vermeiden, nennt’ ich mich, nach dem Beispiel und auf Anraten würdiger Rechtslehrer, Olearius.
    Liebetraut .
    Ihr tatet wohl, dass Ihr Euch übersetztet. Ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterland, es hätt’ Euch in eurer Muttersprache auch so gehen können.
    Olearius .
    Es war nicht darum.
    Liebetraut .
    Alle Dinge haben ein paar Ursachen.
    Abt .
    Ein Prophet gilt nichts in seinem

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