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Sämtliche Werke

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Wolfgang von Goethe
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zu streng, Maria! Unschuldige Liebe erfreut die Gottheit, statt sie zu beleidigen.
    Maria .
    Es sei! Aber ich bin nicht dadurch erbaut. Man lehrte mich: Liebkosungen sei’n wie Ketten, stark durch ihre Verwandtschaft, und Mädchen, wenn sie liebten, sei’n schwächer als Simson nach dem Verlust seiner Locken.
    Weislingen .
    Wer lehrte Euch das?
    Maria .
    Die Äbtissin meines Klosters. Bis in mein sechzehntes Jahr war ich bei ihr, und nur mit Euch empfind’ ich das Glück, das ich in ihrem Umgang genoss. Sie hatte geliebt und durfte reden. Sie hatte ein Herz voll Empfindung! Sie war eine vortreffliche Frau.
    Weislingen .
    Da glich sie Dir! (Er nimmt ihre Hand.) Wie wird mir’s werden, wenn ich Euch verlassen soll!
    Maria (zieht ihre Hand zurück) .
    Ein bisschen eng, hoff’ ich, denn ich weiß, wie’s mir sein wird. Aber Ihr sollt fort.
    Weislingen .
    Ja, meine Teuerste, und ich will. Denn ich fühle, welche Seligkeiten ich mir durch dies Opfer erwerbe. Gesegnet sei Dein Bruder und der Tag, an dem er auszog, mich zu fangen.
    Maria .
    Sein Herz war voll Hoffnung für ihn und Dich. Lebt wohl! Sagt’ er beim Abschied, ich will sehen, dass ich ihn wieder finde.
    Weislingen .
    Er hat’s. Wie wünscht’ ich die Verwaltung meiner Güter und ihre Sicherheit nicht durch das leidige Hofleben so versäumt zu haben! Du könntest gleich die Meinige sein.
    Maria .
    Auch der Aufschub hat seine Freuden.
    Weislingen .
    Sage das nicht, Maria, ich muss sonst fürchten, Du empfindest weniger stark als ich. Doch ich büße verdient, und welche Hoffnungen werden mich auf jedem Schritt begleiten! Ganz der Deine zu sein, nur in Dir und dem Kreise von Guten zu leben, von der Welt entfernt, getrennt, alle Wonne zu genießen, die so zwei Herzen einander gewähren! Was ist die Gnade des Fürsten, was der Beifall der Welt gegen diese einfache, einzige Glückseligkeit? Ich habe viel gehofft und gewünscht, das widerfährt mir über alles Hoffen und Wünschen.
    Götz kommt.
    Götz .
    Euer Knab’ ist wieder da. Er konnte vor Müdigkeit und Hunger kaum etwas vorbringen. Meine Frau gibt ihm zu essen. So viel hab’ ich verstanden: Der Bischof will den Knaben nicht herausgeben, es sollen Kaiserliche Kommissarien ernannt, und ein Tag ausgesetzt werden, wo die Sache dann verglichen werden mag. Dem sei, wie ihm wolle, Adelbert, Ihr seid frei. Ich verlange weiter nichts als Eure Hand, dass Ihr ins künftige meinen Feinden weder öffentlich noch heimlich Vorschub tun wollt.
    Weislingen .
    Hier fass’ ich Eure Hand. Lasst, von diesem Augenblick an, Freundschaft und Vertrauen, gleich einem ewigen Gesetz der Natur, unveränderlich unter uns sein! Erlaubt mir zugleich, diese Hand zu fassen (er nimmt Mariens Hand) und den Besitz des edelsten Fräuleins.
    Götz .
    Darf ich Ja für Euch sagen?
    Maria .
    Wenn Ihr es mit mir sagt.
    Götz .
    Es ist ein Glück, dass unsere Vorteile diesmal miteinander gehen. Du brauchst nicht rot zu werden. Deine Blicke sind Beweis genug. Ja denn, Weislingen! Gebt Euch die Hände, und so sprech’ ich Amen! – Mein Freund und Bruder! – Ich danke Dir, Schwester! Du kannst mehr als Hanf spinnen. Du hast einen Faden gedreht, diesen Paradiesvogel zu fesseln. Du siehst nicht ganz frei! Was fehlt Dir? Ich – bin ganz glücklich; was ich nur träumend hoffte, seh’ ich und bin wie träumend. Ach! Nun ist mein Traum aus. Mir war’s heute Nacht, ich gäb’ Dir meine rechte, eiserne Hand, und Du hieltest mich so fest, dass sie aus den Armschienen ging wie abgebrochen. Ich erschrak und wachte drüber auf. Ich hätte nur fortträumen sollen, da würd’ ich gesehen haben, wie Du mir eine neue, lebendige Hand ansetztest. – Du sollst mir jetzo fort, Dein Schloss und Deine Güter in vollkommenen Stand zu setzen. Der verdammte Hof hat Dich beides versäumen machen. Ich muss meiner Frau rufen. Elisabeth!
    Maria .
    Mein Bruder ist in voller Freude.
    Weislingen .
    Und doch darf ich ihm den rang streitig machen.
    Götz .
    Du wirst anmutig wohnen.
    Maria .
    Franken ist ein gesegnetes Land.
    Weislingen .
    Und ich darf wohl sagen, mein Schloss liegt in der gesegnetsten und anmutigsten Gegend.
    Götz .
    Das dürft Ihr, und ich will’s behaupten. Hier fließt der Main, und allmählich hebt der Berg an, der, mit Äckern und Weinbergen bekleidet, von Euerm Schloss gekrönt wird, dann biet sich der Fluss schnell um die Ecke hinter dem Felsen Eures Schlosses hin. Die Fenster des großen Saals gehen steil herab aufs Wasser, eine Aussicht viel

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