Sämtliche Werke
Ausführung unsrer Geschichte gewesen als Ihr. Ich bin für meinen Mann gestorben; wie und wo, das ist nicht die Frage. Die Frage ist von Eurer Alceste, von Euripides’ Alceste.
Wieland .
Könnt Ihr mir absprechen, dass ich das Ganze delikater behandelt habe?
Alceste .
Was heißt das? Genug, Euripides hat gewusst, warum er eine Alceste aufs Theater bringt. Ihr nicht. So wenig Ihr die Größe des Opfers, das ich meinem Manne tat, darzustellen wusstet.
Wieland .
Wie meint Ihr das?
Euripides .
Lasst mich reden, Alceste! Sieh her, das sind meine Fehler. Ein junger, blühender König, ersterbend mitten im Genuss aller Glückseligkeit. Sein Haus, sein Volk in Verzweiflung, den Guten, Trefflichen zu verlieren, und über dem Jammer Apoll bewegt, den Parzen einen Wechseltod abdringend. Und nun – alles verstummt und Vater und Mutter und Freunde und Volk – alles – und er lechzend am Rande des Tods, umherschauend nach einem willigen Auge, und überall Schweigen – bis sie auftritt, die einzige, ihre Schönheit und Kraft aufzuopfern dem Gatten, hinunter zu steigen zu den hoffnungslosen Toten.
Wieland .
Das hab’ ich alles auch.
Euripides .
Nicht gar! Eure Leute sind erstlich alle zusammen aus der großen Familie, der Ihr Würde der Menschheit, ein Ding, das Gott weiß, woher, abstrahiert ist, zum Erbe gegeben habt, Ihr Dichter auf unsern Trümmern! Sie sehn einander ähnlich wie die Eier, und Ihr habt sie zum unbedeutenden Breie zusammengerührt. Da ist eine Frau, die für ihren Mann sterben will, ein Mann, der für seine Frau sterben will, ein Held, der für sie beide sterben will, dass nichts übrig bleibt als das langweilige Stück Parthenia, die man gerne wie den Widder außem Busche bei den Hörnern kriegte, um dem Elend ein Ende zu machen.
Wieland .
Ihr seht das anders an als ich.
Alceste .
Das vermut’ ich. Nur sagt mir: Was war Alcestes Tat, wenn ihr Mann sie mehr liebte als sein Leben? Der Mensch, der sein ganzes Glück in seiner Gattin genösse wie Euer Admet, würde durch ihre Tat in den doppelt bittern Tod gestürzt werden. Philemon und Baucis erbaten sich zusammen den Tod, und Euer Klopstock, der doch immer unter euch ein Mensch ist, lässt seine Liebenden wetteifern – ‚Daphnis, ich sterbe zuletzt’. Also musste Admet gerne leben, sehr gerne leben, oder ich war – was? – Eine Komödiantin – ein Kind – genug, macht aus mir was Euch gefällt.
Admet .
Und den Admet, der Euch so ekelhaft ist, weil er nicht sterben mag. Seid Ihr jemals gestorben? Oder seid Ihr jemals ganz glücklich gewesen? Ihr redt wie großmütige Hungerleider.
Wieland .
Nur Feige fürchten den Tod.
Admet .
Den Heldentod, ja! Aber den Hausvatertod fürchtet jeder, selbst der Held. So ist’s in der Natur. Glaubt Ihr denn, ich würde mein Leben geschont haben, meine Frau dem Feinde zu entreißen, meine Besitztümer zu verteidigen? Und doch –
Wieland .
Ihr redet wie Leute einer andern Welt, eine Sprache, deren Worte ich vernehme, deren Sinn ich nicht fasse.
Admet .
Wir reden Griechisch. – Ist Euch das so unbegreiflich? Admet –
Euripides .
Ihr bedenkt nicht, dass er zu einer Sekte gehört, die allen Wassersüchtigen, Auszehrenden, an Hals und Bein tödlich Verwundeten einreden will, tot würden ihre Herzen voller, ihre Geister mächtiger, ihre Knochen markiger sein. Das glaubt er.
Admet .
Er tut nur so. Nein, Ihr seid noch Mensch genug, Euch zu Euripides’ Admeten zu versetzen.
Alceste .
Merkt auf und fragt Eure Frau drüber.
Admet .
Ein junger, ganz glücklicher, wohlbehaglicher Fürst, der von seinem Vater Reich und Erbe und Herde und Güter empfangen hatte und drinne saß mit Genüglichkeit und genoss und ganz war und nichts bedurfte als Leute, die mit ihm genossen, und sie, wie natürlich, fand und des Hergebens nicht satt wurde und alle liebte, dass sie ihn lieben sollten, und sich Götter und Menschen so zu Freunden gemacht hatte und Apoll den Himmel an seinem Tische vergaß – der sollte nicht ewig zu leben wünschen! – Und der Mensch hatte auch eine Frau –
Alceste .
Ihr habt eine und begreift das nicht. Ich wollte das dem schwarzaugigen jungen Ding dort begreiflich machen. Schöne Kleine, willst du ein Wort hören?
Das Mädchen .
Was verlangt Ihr?
Alceste .
Du hattest einen Liebhaber.
Mädchen .
Ach ja!
Alceste .
Und liebtest ihn von Herzen, so dass du in mancher guten Stunde Beruf fühltest, für ihn zu sterben?
Mädchen .
Ach, und ich bin um ihn gestorben. Ein
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