Sämtliche Werke
nach dem Dreigestirn,
Nach Jehuda ben Halevy,
Nach dem Salomon Gabirol
Und dem Moses Iben Esra –
Fragt man nach dergleichen Namen,
Dann mit großen Augen schaun
Uns die Kleinen an – alsdann
Stehn am Berge die Ochsinnen.
Raten möcht ich dir, Geliebte,
Nachzuholen das Versäumte
Und Hebräisch zu erlernen –
Laß Theater und Konzerte,
Widme ein’ge Jahre solchem
Studium, du kannst alsdann
Im Originale lesen
Iben Esra und Gabirol
Und versteht sich den Halevy,
Das Triumvirat der Dichtkunst,
Das dem Saitenspiel Davidis
Einst entlockt die schönsten Laute.
Alcharisi – der, ich wette,
Dir nicht minder unbekannt ist,
Ob er gleich, französ’scher Witzbold,
Den Hariri überwitzelt
Im Gebiete der Makame,
Und ein Voltairianer war
Schon sechshundert Jahr’ vor Voltair’ –
Jener Alcharisi sagte:
»Durch Gedanken glänzt Gabirol
Und gefällt zumeist dem Denker,
Iben Esra glänzt durch Kunst
Und behagt weit mehr dem Künstler –
Aber beider Eigenschaften
Hat Jehuda ben Halevy,
Und er ist ein großer Dichter
Und ein Liebling aller Menschen.«
Iben Esra war ein Freund
Und, ich glaube, auch ein Vetter
Des Jehuda ben Halevy,
Der in seinem Wanderbuche
Schmerzlich klagt, wie er vergebens
In Granada aufgesucht hat
Seinen Freund, und nur den Bruder
Dorten fand, den Medikus,
Rabbi Meyer, auch ein Dichter
Und der Vater jener Schönen,
Die mit hoffnungsloser Flamme
Iben Esras Herz entzunden –
Um das Mühmchen zu vergessen,
Griff er nach dem Wanderstabe,
Wie so mancher der Kollegen;
Lebte unstet, heimatlos.
Pilgernd nach Jerusalem,
Überfielen ihn Tartaren,
Die an einen Gaul gebunden
Ihn nach ihren Steppen schleppten.
Mußte Dienste dort verrichten,
Die nicht würdig eines Rabbi
Und noch wen’ger eines Dichters,
Mußte nämlich Kühe melken.
Einstens, als er unterm Bauche
Einer Kuh gekauert saß,
Ihre Euter hastig fingernd,
Daß die Milch floß in den Zuber –
Eine Position, unwürdig
Eines Rabbis, eines Dichters –
Da befiel ihn tiefe Wehmut,
Und er fing zu singen an,
Und er sang so schön und lieblich,
Daß der Khan, der Fürst der Horde,
Der vorbeiging, ward gerühret
Und die Freiheit gab dem Sklaven.
Auch Geschenke gab er ihm,
Einen Fuchspelz, eine lange
Sarazenenmandoline
Und das Zehrgeld für die Heimkehr.
Dichterschicksal! böser Unstern,
Der die Söhne des Apollo
Tödlich nergelt, und sogar
Ihren Vater nicht verschont hat,
Als er, hinter Daphnen laufend,
Statt des weißen Nymphenleibes
Nur den Lorbeerbaum erfaßte,
Er, der göttliche Schlemihl!
Ja, der hohe Delphier ist
Ein Schlemihl, und gar der Lorbeer,
Der so stolz die Stirne krönet,
Ist ein Zeichen des Schlemihltums.
Was das Wort Schlemihl bedeutet,
Wissen wir. Hat doch Chamisso
Ihm das Bürgerrecht in Deutschland
Längst verschafft, dem Worte nämlich.
Aber unbekannt geblieben,
Wie des heil’gen Niles Quellen,
Ist sein Ursprung; hab darüber
Nachgegrübelt manche Nacht.
Zu Berlin vor vielen Jahren
Wandt ich mich deshalb an unsern
Freund Chamisso, suchte Auskunft
Beim Dekane der Schlemihle.
Doch er konnt mich nicht befried’gen
Und verwies mich drob an Hitzig,
Der ihm den Familiennamen
Seines schattenlosen Peters
Einst verraten. Alsbald nahm ich
Eine Droschke, und ich rollte
Zu dem Kriminalrat Hitzig,
Welcher eh’mals Itzig hieß –
Als er noch ein Itzig war,
Träumte ihm, er säh geschrieben
An dem Himmel seinen Namen
Und davor den Buchstab’ H.
»Was bedeutet dieses H?«
Frug er sich – »etwa Herr Itzig
Oder Heil’ger Itzig? Heil’ger
Ist ein schöner Titel – aber
In Berlin nicht passend« – Endlich
Grübelnsmüd’, nannt er sich Hitzig,
Und nur die Getreuen wußten:
In dem Hitzig steckt ein Heil’ger.
»Heil’ger Hitzig!« sprach ich also,
Als ich zu ihm kam, »Sie sollen
Mir die Etymologie
Von dem Wort Schlemihl erklären.«
Viel Umschweife nahm der Heil’ge,
Konnte sich nicht recht erinnern,
Eine Ausflucht nach der andern,
Immer christlich – bis mir endlich,
Endlich alle Knöpfe rissen
An der Hose der Geduld,
Und ich anfing so zu fluchen,
So gottlästerlich zu fluchen,
Daß der fromme Pietist,
Leichenblaß und beineschlotternd,
Unverzüglich mir willfahrte
Und mir folgendes erzählte:
»In der Bibel ist zu lesen,
Als zur Zeit der Wüstenwandrung
Israel sich oft erlustigt
Mit den Töchtern Kanaans,
Da geschah es, daß der Pinhas
Sahe, wie der edle Simri
Buhlschaft trieb mit einem Weibsbild
Aus dem
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