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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Duldsamkeit und Demut
    Suchen wir stets nachzuahmen.
    Deshalb sind wir auch so sanft,
    So leutselig, ruhig, milde,
    Hadern niemals, nach des Lammes,
    Des Versöhners, Musterbilde.
    Einst im Himmel werden wir
    Ganz verklärt zu frommen Englein,
    Und wir wandeln dort gottselig,
    In den Händen Lilienstenglein.
    Statt der groben Kutten tragen
    Wir die reinlichsten Gewänder
    Von Muss’lin, Brokat und Seide,
    Goldne Troddeln, bunte Bänder.
    Keine Glatze mehr! Goldlocken
    Flattern dort um unsre Köpfe;
    Allerliebste Jungfraun flechten
    Uns das Haar in hübsche Zöpfe.
    Weinpokale wird es droben
    Von viel weiterm Umfang geben,
    Als die Becher sind hier unten,
    Worin schäumt der Saft der Reben.
    Doch im Gegenteil viel enger
    Als ein Weibermund hienieden,
    Wird das Frauenmündchen sein,
    Das dort oben uns beschieden.
    Trinkend, küssend, lachend wollen
    Wir die Ewigkeit verbringen,
    Und verzückt Halleluja,
    Kyrie eleison singen.«
    Also schloß der Christ. Die Mönchlein
    Glaubten schon, Erleuchtung träte
    In die Herzen, und sie schleppten
    Flink herbei das Taufgeräte.
    Doch die wasserscheuen Juden
    Schütteln sich und grinsen schnöde.
    Rabbi Juda, der Navarrer,
    Hub jetzt an die Gegenrede:
    »Um für deine Saat zu düngen
    Meines Geistes dürren Acker,
    Mit Mistkarren voll Schimpfwörter
    Hast du mich beschmissen wacker.
    So folgt jeder der Methode,
    Dran er nun einmal gewöhnet,
    Und anstatt dich drob zu schelten,
    Sag ich Dank dir, wohlversöhnet.
    Die Dreieinigkeitsdoktrin
    Kann für unsre Leut’ nicht passen,
    Die mit Regula-de-tri
    Sich von Jugend auf befassen.
    Daß in deinem Gotte drei,
    Drei Personen sind enthalten,
    Ist bescheiden noch, sechstausend
    Götter gab es bei den Alten.
    Unbekannt ist mir der Gott,
    Den ihr Christum pflegt zu nennen;
    Seine Jungfer Mutter gleichfalls
    Hab ich nicht die Ehr’ zu kennen.
    Ich bedaure, daß er einst,
    Vor etwa zwölfhundert Jahren,
    Ein’ge Unannehmlichkeiten
    Zu Jerusalem erfahren.
    Ob die Juden ihn getötet,
    Das ist schwer jetzt zu erkunden,
    Da ja das Corpus delicti
    Schon am dritten Tag verschwunden.
    Daß er ein Verwandter sei
    Unsres Gottes, ist nicht minder
    Zweifelhaft; soviel wir wissen,
    Hat der letztre keine Kinder.
    Unser Gott ist nicht gestorben
    Als ein armes Lämmerschwänzchen
    Für die Menschheit, ist kein süßes
    Philantröpfchen, Faselhänschen.
    Unser Gott ist nicht die Liebe;
    Schnäbeln ist nicht seine Sache,
    Denn er ist ein Donnergott
    Und er ist ein Gott der Rache.
    Seines Zornes Blitze treffen
    Unerbittlich jeden Sünder,
    Und des Vaters Schulden büßen
    Oft die späten Enkelkinder.
    Unser Gott, der ist lebendig,
    Und in seiner Himmelshalle
    Existieret er drauflos
    Durch die Ewigkeiten alle.
    Unser Gott, und der ist auch
    Ein gesunder Gott, kein Mythos
    Bleich und dünne wie Oblaten
    Oder Schatten am Cocytos.
    Unser Gott ist stark. In Händen
    Trägt er Sonne, Mond, Gestirne;
    Throne brechen, Völker schwinden,
    Wenn er runzelt seine Stirne.
    Und er ist ein großer Gott.
    David singt: Ermessen ließe
    Sich die Größe nicht, die Erde
    Sei der Schemel seiner Füße.
    Unser Gott liebt die Musik,
    Saitenspiel und Festgesänge;
    Doch wie Ferkelgrunzen sind
    Ihm zuwider Glockenklänge.
    Leviathan heißt der Fisch,
    Welcher haust im Meeresgrunde;
    Mit ihm spielet Gott der Herr
    Alle Tage eine Stunde –
    Ausgenommen an dem neunten
    Tag des Monats Ab, wo nämlich
    Eingeäschert ward sein Tempel;
    An dem Tag ist er zu grämlich.
    Des Leviathans Länge ist
    Hundert Meilen, hat Floßfedern
    Groß wie König Ok von Basan,
    Und sein Schwanz ist wie ein Zedern.
    Doch sein Fleisch ist delikat,
    Delikater als Schildkröten,
    Und am Tag der Auferstehung
    Wird der Herr zu Tische beten
    Alle frommen Auserwählten,
    Die Gerechten und die Weisen –
    Unsres Herrgotts Lieblingsfisch
    Werden sie alsdann verspeisen,
    Teils mit weißer Knoblauchbrühe,
    Teils auch braun in Wein gesotten,
    Mit Gewürzen und Rosinen,
    Ungefähr wie Mateloten.
    In der weißen Knoblauchbrühe
    Schwimmen kleine Schäbchen Rettich –
    So bereitet, Frater Jose,
    Mundet dir das Fischlein, wett ich!
    Auch die braune ist so lecker,
    Nämlich die Rosinensauce,
    Sie wird himmlisch wohl behagen
    Deinem Bäuchlein, Frater Jose.
    Was Gott kocht, ist gut gekocht!
    Mönchlein, nimm jetzt meinen Rat an,
    Opfre hin die alte Vorhaut
    Und erquick dich am Leviathan.«
    Also lockend sprach der Rabbi,
    Lockend, ködernd, heimlich schmunzelnd,
    Und die Juden schwangen schon
    Ihre Messer

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