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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Spanien
    Zu dem kleinen Talmudisten,
    Der ein großer Dichter worden,
    Zu Jehuda ben Halevy?«
    Ja, er ward ein großer Dichter,
    Absoluter Traumweltsherrscher
    Mit der Geisterkönigskrone,
    Ein Poet von Gottes Gnade,
    Der in heiligen Sirventen,
    Madrigalen und Terzinen,
    Kanzonetten und Ghaselen
    Ausgegossen alle Flammen
    Seiner gottgeküßten Seele!
    Wahrlich ebenbürtig war
    Dieser Troubadour den besten
    Lautenschlägern der Provence,
    Poitous und der Guienne,
    Roussillons und aller andern
    Süßen Pomeranzenlande
    Der galanten Christenheit.
    Der galanten Christenheit
    Süße Pomeranzenlande!
    Wie sie duften, glänzen, klingen
    In dem Zwielicht der Erinnrung!
    Schöne Nachtigallenwelt!
    Wo man statt des wahren Gottes
    Nur den falschen Gott der Liebe
    Und der Musen angebeten.
    Clerici mit Rosenkränzen
    Auf der Glatze sangen Psalmen
    In der heitern Sprache d’oc;
    Und die Laien, edle Ritter,
    Stolz auf hohen Rossen trabend,
    Spintisierten Vers und Reime
    Zur Verherrlichung der Dame,
    Der ihr Herze fröhlich diente.
    Ohne Dame keine Minne,
    Und es war dem Minnesänger
    Unentbehrlich eine Dame,
    Wie dem Butterbrot die Butter.
    Auch der Held, den wir besingen,
    Auch Jehuda ben Halevy
    Hatte seine Herzensdame;
    Doch sie war besondrer Art.
    Sie war keine Laura, deren
    Augen, sterbliche Gestirne,
    In dem Dome am Karfreitag
    Den berühmten Brand gestiftet –
    Sie war keine Chatelaine,
    Die im Blütenschmuck der Jugend
    Bei Turnieren präsidierte
    Und den Lorbeerkranz erteilte –
    Keine Kußrechtskasuistin
    War sie, keine Doktrinärrin,
    Die im Spruchkollegium
    Eines Minnehofs dozierte –
    Jene, die der Rabbi liebte,
    War ein traurig armes Liebchen,
    Der Zerstörung Jammerbildnis,
    Und sie hieß Jerusalem.
    Schon in frühen Kindestagen
    War sie seine ganze Liebe;
    Sein Gemüte machte beben
    Schon das Wort Jerusalem.
    Purpurflamme auf der Wange,
    Stand der Knabe, und er horchte,
    Wenn ein Pilger nach Toledo
    Kam aus fernem Morgenlande
    Und erzählte: wie verödet
    Und verunreint jetzt die Stätte,
    Wo am Boden noch die Lichtspur
    Von dem Fuße der Propheten –
    Wo die Luft noch balsamieret
    Von dem ew’gen Odem Gottes –
    »O des Jammeranblicks!« rief
    Einst ein Pilger, dessen Bart
    Silberweiß hinabfloß, während
    Sich das Barthaar an der Spitze
    Wieder schwärzte und es aussah,
    Als ob sich der Bart verjünge –
    Ein gar wunderlicher Pilger
    Mocht es sein, die Augen lugten
    Wie aus tausendjähr’gem Trübsinn,
    Und er seufzt’: »Jerusalem!
    Sie, die volkreich heil’ge Stadt
    Ist zur Wüstenei geworden,
    Wo Waldteufel, Werwolf, Schakal
    Ihr verruchtes Wesen treiben –
    Schlangen, Nachtgevögel nisten
    Im verwitterten Gemäuer;
    Aus des Fensters luft’gem Bogen
    Schaut der Fuchs mit Wohlbehagen.
    Hier und da taucht auf zuweilen
    Ein zerlumpter Knecht der Wüste,
    Der sein höckriges Kamel
    In dem hohen Grase weidet.
    Auf der edlen Höhe Zions,
    Wo die goldne Feste ragte,
    Deren Herrlichkeiten zeugten
    Von der Pracht des großen Königs:
    Dort, von Unkraut überwuchert,
    Liegen nur noch graue Trümmer,
    Die uns ansehn schmerzhaft traurig,
    Daß man glauben muß, sie weinten.
    Und es heißt, sie weinten wirklich
    Einmal in dem Jahr, an jenem
    Neunten Tag des Monats Ab –
    Und mit tränend eignen Augen
    Schaute ich die dicken Tropfen
    Aus den großen Steinen sickern,
    Und ich hörte weheklagen
    Die gebrochnen Tempelsäulen.« – –
    Solche fromme Pilgersagen
    Weckten in der jungen Brust
    Des Jehuda ben Halevy
    Sehnsucht nach Jerusalem.
    Dichtersehnsucht! ahnend, träumend
    Und fatal war sie, wie jene,
    Die auf seinem Schloß zu Blaye
    Einst empfand der edle Vidam,
    Messer Geoffroy Rudello,
    Als die Ritter, die zurück
    Aus dem Morgenlande kehrten,
    Laut beim Becherklang beteuert:
    Ausbund aller Huld und Züchten,
    Perl’ und Blume aller Frauen,
    Sei die schöne Melisande,
    Markgräfin von Tripolis.
    Jeder weiß, für diese Dame
    Schwärmte jetzt der Troubadour;
    Er besang sie, und es wurde
    Ihm zu eng im Schlosse Blaye.
    Und es trieb ihn fort. Zu Cette
    Schiffte er sich ein, erkrankte
    Aber auf dem Meer, und sterbend
    Kam er an zu Tripolis.
    Hier erblickt’ er Melisanden
    Endlich auch mit Leibesaugen,
    Die jedoch des Todes Schatten
    In derselben Stunde deckten.
    Seinen letzten Liebessang
    Singend, starb er zu den Füßen
    Seiner Dame Melisande,
    Markgräfin von Tripolis.
    Wunderbare Ähnlichkeit
    In dem Schicksal beider Dichter!
    Nur daß jener erst im Alter
    Seine große Wallfahrt antrat.
    Auch Jehuda ben

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