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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Stamm der Kananiter,
    Und alsbald ergriff er zornig
    Seinen Speer und hat den Simri
    Auf der Stelle totgestochen –
    Also heißt es in der Bibel.
    Aber mündlich überliefert
    Hat im Volke sich die Sage,
    Daß es nicht der Simri war,
    Den des Pinhas Speer getroffen,
    Sondern daß der Blinderzürnte,
    Statt des Sünders, unversehens
    Einen ganz Unschuld’gen traf,
    Den Schlemihl ben Zuri Schadday.« –
    Dieser nun, Schlemihl I.,
    Ist der Ahnherr des Geschlechtes
    Derer von Schlemihl. Wir stammen
    Von Schlemihl ben Zuri Schadday.
    Freilich keine Heldentaten
    Meldet man von ihm, wir kennen
    Nur den Namen und wir wissen,
    Daß er ein Schlemihl gewesen.
    Doch geschätzet wird ein Stammbaum
    Nicht ob seinen guten Früchten,
    Sondern nur ob seinem Alter –
    Drei Jahrtausend’ zählt der unsre!
    Jahre kommen und vergehen –
    Drei Jahrtausende verflossen,
    Seit gestorben unser Ahnherr,
    Herr Schlemihl ben Zuri Schadday.
    Längst ist auch der Pinhas tot –
    Doch sein Speer hat sich erhalten,
    Und wir hören ihn beständig
    Über unsre Häupter schwirren.
    Und die besten Herzen trifft er –
    Wie Jehuda ben Halevy,
    Traf er Moses Iben Esra,
    Und er traf auch den Gabirol –
    Den Gabirol, diesen treuen
    Gottgeweihten Minnesänger,
    Diese fromme Nachtigall,
    Deren Rose Gott gewesen –
    Diese Nachtigall, die zärtlich
    Ihre Liebeslieder sang
    In der Dunkelheit der gotisch
    Mittelalterlichen Nacht!
    Unerschrocken, unbekümmert
    Ob den Fratzen und Gespenstern,
    Ob dem Wust von Tod und Wahnsinn,
    Die gespukt in jener Nacht –
    Sie, die Nachtigall, sie dachte
    Nur an ihren göttlich Liebsten
    Dem sie ihre Liebe schluchzte,
    Den ihr Lobgesang verherrlicht! –
    Dreißig Lenze sah Gabirol
    Hier auf Erden, aber Fama
    Ausposaunte seines Namens
    Herrlichkeit durch alle Lande.
    Zu Corduba, wo er wohnte,
    War ein Mohr sein nächster Nachbar,
    Welcher gleichfalls Verse machte
    Und des Dichters Ruhm beneidet’.
    Hörte er den Dichter singen,
    Schwoll dem Mohren gleich die Galle,
    Und der Lieder Süße wurde
    Bittrer Wermut für den Neidhart.
    Er verlockte den Verhaßten
    Nächtlich in sein Haus, erschlug ihn
    Dorten und vergrub den Leichnam
    Hinterm Hause in dem Garten.
    Aber siehe! aus dem Boden,
    Wo die Leiche eingescharrt war,
    Wuchs hervor ein Feigenbaum
    Von der wunderbarsten Schönheit.
    Seine Frucht war seltsam länglich
    Und von seltsam würz’ger Süße;
    Wer davon genoß, versank
    In ein träumerisch Entzücken.
    In dem Volke ging darüber
    Viel Gerede und Gemunkel,
    Das am End’ zu den erlauchten
    Ohren des Kalifen kam.
    Dieser prüfte eigenzüngig
    Jenes Feigenphänomen,
    Und ernannte eine strenge
    Untersuchungskommission.
    Man verfuhr summarisch. Sechzig
    Bambushiebe auf die Sohlen
    Gab man gleich dem Herrn des Baumes,
    Welcher eingestand die Untat.
    Darauf riß man auch den Baum
    Mit den Wurzeln aus dem Boden,
    Und zum Vorschein kam die Leiche
    Des erschlagenen Gabirol.
    Diese ward mit Pomp bestattet
    Und betrauert von den Brüdern;
    An demselben Tage henkte
    Man den Mohren zu Corduba.
    Fragment
Disputation
    In der Aula zu Toledo
    Klingen schmetternd die Fanfaren;
    Zu dem geistlichen Turnei
    Wallt das Volk in bunten Scharen.
    Das ist nicht ein weltlich Stechen,
    Keine Eisenwaffe blitzet –
    Eine Lanze ist das Wort,
    Das scholastisch scharf gespitzet.
    Nicht galante Paladins
    Fechten hier, nicht Damendiener –
    Dieses Kampfes Ritter sind
    Kapuziner und Rabbiner.
    Statt des Helmes tragen sie
    Schabbesdeckel und Kapuzen;
    Skapulier und Arbekanfeß
    Sind der Harnisch, drob sie trutzen.
    Welches ist der wahre Gott?
    Ist es der Hebräer starrer
    Großer Eingott, dessen Kämpe
    Rabbi Juda, der Navarrer?
    Oder ist es der dreifalt’ge
    Liebegott der Christianer,
    Dessen Kämpe Frater Jose,
    Gardian der Franziskaner?
    Durch die Macht der Argumente,
    Durch der Logik Kettenschlüsse
    Und Zitate von Autoren,
    Die man anerkennen müsse,
    Will ein jeder Kämpe seinen
    Gegner ad absurdum führen
    Und die wahre Göttlichkeit
    Seines Gottes demonstrieren.
    Festgestellt ist: daß derjen’ge,
    Der im Streit ward überwunden,
    Seines Gegners Religion
    Anzunehmen sei verbunden,
    Daß der Jude sich der Taufe
    Heil’gem Sakramente füge,
    Und im Gegenteil der Christ
    Der Beschneidung unterliege.
    Jedem von den beiden Kämpen
    Beigesellt sind elf Genossen,
    Die zu teilen sein Geschick
    Sind in Freud und Leid entschlossen.
    Glaubenssicher sind die Mönche
    Von des Gardians Geleitschaft,
    Halten schon Weihwasserkübel
    Für die Taufe in

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