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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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überhaupt nichts Bestimmtes darüber sagen. Man kann das Wasser einer Quelle chemisch zersetzen und genau angeben, wieviel Schwefel, Salz oder Butter darin enthalten ist, aber niemand wird es wagen, selbst in bestimmten Fällen, die Wirkung dieses Wassers für ein ganz probates, untrügliches Heilmittel zu erklären; denn diese Wirkung ist ganz abhängig von der individuellen Leibesbeschaffenheit des Kranken, und das Bad, das bei gleichen Krankheitsymptomen dem einen fruchtet, übt auf den andern nicht den mindesten, wo nicht gar den schädlichsten Einfluß. In der Weise, wie z.B. der Magnetismus, enthalten auch die Heilquellen eine Kraft, die hinlänglich konstatiert, aber keineswegs determiniert ist, deren Grenzen und auch geheimste Natur den Forschern bis jetzt unbekannt geblieben, so daß der Arzt dieselben nur versuchsweise, wo alle andern Mittel fehlschlagen, als Medikament anzuwenden pflegt. Wenn der Sohn Äskulaps gar nicht mehr weiß, was er mit dem Patienten anfangen soll, dann schickt er uns ins Bad mit einem langen Konsultationszettel, der nichts anderes ist als ein offener Empfehlungsbrief an den Zufall!
    Die Lebensmittel sind hier sehr schlecht, aber desto teurer. Frühstück und Mittagessen werden den Gästen in hohen Körben und von ziemlich klebrigen Mägden aufs Zimmer getragen, ganz wie in Göttingen. Hätten wir nur hier ebenfalls den jugendlich-akademischen Appetit, womit wir einst die gelehrt-trockensten Kalbsbraten Georgia Augustas zermalmten! Das Leben selbst ist hier so langweilig wie an den blumigen Ufern der Leine. Doch kann ich nicht umhin zu erwähnen, daß wir zwei sehr hübsche Bälle genossen, wo die Tänzer alle ohne Krücken erschienen. Es fehlte dabei nicht an einigen Töchtern Albions, die sich durch Schönheit und linkisches Wesen auszeichneten; sie tanzten, als ritten sie auf Eseln. Unter den Französinnen glänzte die Tochter des berühmten Cellarius, die – welche Ehre für das kleine Barèges – hier eigenfüßig die Polka tanzte. Auch mehre junge Tanznixen der Pariser Großen Oper, welche man Ratten nennt, unter andern die silberfüßige Mademoiselle Lelhomme, wirbelten hier ihre Entrechats, und ich dachte bei diesem Anblick wieder lebhaft an mein liebes Paris, wo ich es vor lauter Tanz und Musik am Ende nicht mehr aushalten konnte und wohin das Herz sich jetzt dennoch wieder zurücksehnt. Wunderbar närrischer Zauber! Vor lauter Pläsier und Belustigung wird Paris zuletzt so ermüdend, so erdrückend, so überlästig, alle Freuden sind dort mit so erschöpfender Anstrengung verbunden, daß man jauchzend froh ist, wenn man dieser Galeere des Vergnügens einmal entspringen kann – und kaum ist man einige Monate von dort entfernt, so kann eine einzige Walzermelodie oder der bloße Schatten eines Tänzerinnenbeins in unserm Gemüte das sehnsüchtigste Heimweh nach Paris erwecken! Das geschieht aber nur den bemoosten Häuptern dieses süßen Bagnos, nicht den jungen Burschen unsrer Landsmannschaft, die nach einem kurzen Semesteraufenthalt in Paris gar kläglich bejammern, daß es dort nicht so gemütlich still sei wie jenseits des Rheins, wo das Zellensystem des einsamen Nachdenkens eingeführt ist, daß man sich dort nicht ruhig sammeln könne wie etwa zu Magdeburg oder Spandau, daß das sittliche Bewußtsein sich dort verliere im Geräusch der Genußwellen, die sich überstürzen, daß die Zerstreuung dort zu groß sei – ja, sie ist wirklich zu groß in Paris, denn während wir uns dort zerstreuen, zerstreut sich auch unser Geld!
    Ach, das Geld! Es weiß sich sogar hier in Barèges zu zerstreuen, so langweilig auch dieses Heilnest. Es übersteigt alle Begriffe, wie teuer der hiesige Aufenthalt; er kostet mehr als das Doppelte, was man in andern Badeörtern der Pyrenäen ausgibt. Und welche Habsucht bei diesen Gebirgsbewohnern, die man als eine Art Naturkinder, als die Reste einer Unschuldsrasse zu preisen pflegt! Sie huldigen dem Geld mit einer Inbrunst, die an Fanatismus grenzt, und das ist ihr eigentlicher Nationalkultus. Aber ist das Geld jetzt nicht der Gott der ganzen Welt, ein allmächtiger Gott, den selbst der verstockteste Atheist keine drei Tage lang verleugnen könnte, denn ohne seine göttliche Hülfe würde ihm der Bäcker nicht den kleinsten Semmel verabfolgen lassen.
    Dieser Tage, bei der großen Hitze, kamen ganze Schwärme von Engländern nach Barèges; rotgesunde, beefsteakgemästete Gesichter, die mit der bleichen Gemeinde der Badegäste schier

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