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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Vorkehrungsmaßregeln dennoch Verbrechen zum Vorschein, so sucht man die Verbrecher unschädlich zu machen, und sie werden entweder eingesperrt oder, wenn sie der Ruhe der Gesellschaft gar zu gefährlich sind, ein bißchen hingerichtet. Die Regierung, als Mandatarin der Gesellschaft, verhängt hier keine Pein als Strafe, sondern als Notwehr, und der höhere oder geringere Grad dieser Pein wird nur von dem Grade des Bedürfnisses der sozialen Selbstverteidigung bestimmt. Nur von diesem Gesichtspunkte aus sind wir für die Todesstrafe oder vielmehr für die Tötung großer Bösewichter, welche die Polizei aus dem Wege schaffen muß, wie sie tolle Hunde totschlägt.
    Wenn man aufmerksam das exposé des motifs liest, womit der französische Minister des Innern seinen Gesetzentwurf in betreff der Gefängnisreform einleitete, so ist es augenscheinlich, wie hier die zuletzt bezeichnete Ansicht den Grundgedanken bildet und wie das sogenannte Repressivprinzip der Franzosen im Grunde nur die Praxis unserer Präventivtheorie ist.
    Im Prinzip sind also unsere Ansichten ganz übereinstimmend mit denen der französischen Regierung. Aber unsere Gefühle sträuben sich gegen die Mittel, wodurch die gute Absicht erreicht werden soll. Auch halten wir sie für Frankreich ganz ungeeignet. In diesem Lande der Soziabilität wäre die Absperrung in Zellen, die pennsylvanische Methode, eine unerhörte Grausamkeit, und das französische Volk ist zu großmütig, als daß es je um solchen Preis seine gesellschaftliche Ruhe erkaufen möchte. Ich bin daher überzeugt, selbst nachdem die Kammern eingewilligt, kommt das entsetzliche, unmenschliche, ja unnatürliche Zellulargefängniswesen nicht in Ausführung, und die vielen Millionen, welche die nötigen Bauten kosten, sind gottlob verlorenes Geld. Diese Burgverliese des neuen Bürgerrittertums wird das Volk ebenso unwillig niederreißen, wie es einst die adelige Bastille zerstörte. So furchtbar und düster dieselbe von außen gewesen sein mochte, so war sie doch gewiß nur ein heiteres Kiosk, ein sonniges Gartenhaus, im Vergleich mit jenen kleinen, schweigenden amerikanischen Höllen, die nur ein blödsinniger Pietist ersinnen und nur ein herzloser Krämer, der für sein Eigentum zittert, billigen konnte. Der gute fromme Bürger soll hinfüro ruhiger schlafen können – das will die Regierung mit löblichem Eifer bewirken. Aber warum sollen sie nicht etwas weniger schlafen? – Bessere Leute müssen jetzt wachend die Nächte verbringen. Und dann, haben sie nicht den lieben Gott, um sie zu schützen, sie, die Frommen? – Oder zweifeln sie an diesem Schutz, sie, die Frommen?
Aus den Pyrenäen
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    I
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I
    Barèges, 26. Juli 1846
    Seit Menschengedenken gab es kein solches Zuströmen nach den Heilquellen von Barèges wie dieses Jahr. Das kleine Dorf, das aus etwa sechzig Häusern und einigen Dutzend Notbaracken besteht, kann die kranke Menge nicht mehr fassen; Spätkömmlinge fanden kaum ein kümmerliches Obdach für eine Nacht und mußten leidend umkehren. Die meisten Gäste sind französische Militärs, die in Afrika sehr viele Lorbeeren, Lanzenstiche und Rheumatismen eingeerntet haben. Einige alte Offiziere aus der Kaiserzeit keuchen hier ebenfalls umher und suchen in der Badewanne die glorreichen Erinnerungen zu vergessen, die sie bei jedem Witterungswechsel so verdrießlich jucken. Auch ein deutscher Dichter befindet sich hier, der manches auszubaden haben mag, aber bis jetzt keineswegs seines Verstandes verlustig und noch viel weniger in ein Irrenhaus eingesperrt worden ist, wie ein Berliner Korrespondent in der hochlöblichen »Leipziger Allgemeinen Zeitung« berichtet hat. Freilich, wir können uns irren, Heinrich Heine ist vielleicht verrückter, als er selbst weiß; aber mit Gewißheit dürfen wir versichern, daß man ihn hier, in dem anarchischen Frankreich, noch immer auf freien Füßen herumgehen läßt, was ihm wahrscheinlich zu Berlin, wo die geistige Sanitätspolizei strenger gehandhabt wird, nicht gestattet werden möchte. Wie dem auch sei, fromme Gemüter an der Spree mögen sich trösten, wenn auch nicht der Geist, so ist doch der Leib des Dichters hinlänglich belastet von lähmenden Gebresten, und auf der Reise von Paris hierher ward sein Siechtum so unleidlich, daß er unfern von Bagnères-de-Bigorre den Wagen verlassen und sich auf einem Lehnsessel über das Gebirge tragen lassen mußte. Er hatte bei dieser erhabenen Fahrt manche erfreuliche Lichtblicke, nie hat ihn

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