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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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dieses die Trümmer eines alten Tempels wären, worin ehemals ein verruchter Heidengott gehaust, der nicht bloß die nackteste Liederlichkeit, sondern auch unnatürliche Laster und Blutschande getrieben; die blinden Heiden hätten aber dennoch, ihm zu Ehren, vor seinem Altar manchmal hundert Ochsen auf einmal geschlachtet; der ausgehöhlte Marmorblock, worin das Blut der Opfer geflossen, sei dort noch vorhanden, und es sei eben jener Steintrog, den er, sein Sohn, zuweilen dazu benutze, mit dem darin gesammelten Regenwasser seine Schweine zu tränken oder darin allerlei Abfall für ihre Atzung aufzubewahren.
    So sprach der junge Mensch. Aber der Greis stieß jetzt einen Seufzer aus, der den ungeheuersten Schmerz verriet; gebrochen sank er nieder auf seinen Steinstuhl, bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen und weinte wie ein Kind. Der große Vogel kreischte entsetzlich, spreizte weit aus seine ungeheuern Flügel und bedrohte die Fremden mit Krallen und Schnabel. Die alte Ziege jedoch leckte ihres Herrn Hände und meckerte traurig und wie besänftigend.
    Ein unheimliches Mißbehagen ergriff die Schiffer bei diesem Anblick, sie verließen schleunig die Hütte und waren froh, als sie das Geschluchze des Greises, das Gekreisch des Vogels und das Ziegengemecker nicht mehr vernahmen. Zurückgekehrt an Bord des Schiffes, erzählten sie dort ihr Abenteuer. Aber unter der Schiffsmannschaft befand sich ein russischer Gelehrter, Professor bei der Philosophischen Fakultät der Universität zu Kasan, und dieser erklärte die Begebenheit für höchst wichtig; den Zeigefinger pfiffig an die Nase legend, versicherte er den Schiffern: Der Greis auf der Kanincheninsel sei unstreitig der alte Gott Jupiter, Sohn des Saturn und der Rhea, der ehemalige König der Götter. Der Vogel an seiner Seite sei augenscheinlich der Adler, der einst die fürchterlichen Blitze in seinen Krallen trug. Und die alte Ziege könne, aller Wahrscheinlichkeit nach, keine andre Person sein als die Althea, die alte Amme, die den Gott bereits auf Kreta säugte und jetzt im Exil wieder mit ihrer Milch ernähre.«
    So erzählte Niels Andersen, und ich gestehe, diese Mitteilung erfüllte meine Seele mit Wehmut. Schon die Aufschlüsse über das geheime Leid der Walfische erregte mein Mitgefühl. Arme große Bestie! Gegen das schnöde Rattengesindel, das sich bei dir eingenistet und unaufhörlich an dir nagt, gibt es keine Hülfe, und du mußt es lebenslang mit dir schleppen; und rennst du auch verzweiflungsvoll vom Nordpol zum Südpol und reibst dich an seinen Eiskanten – es hilft dir nichts, du wirst sie nicht los, die schnöden Ratten, und dabei fehlt dir der Trost der Religion! An jeder Größe auf dieser Erde nagen die heimlichen Ratten, und die Götter selbst müssen am Ende schmählich zugrunde gehen. So will es das eiserne Gesetz des Fatums, und selbst der Höchste der Unsterblichen muß demselben schmachvoll sein Haupt beugen. Er, den Homer besungen und Phidias abkonterfeit in Gold und Elfenbein; er, der nur mit den Augen zu zwinkern brauchte, um den Erdkreis zu erschüttern; er, der Liebhaber von Leda, Alkmene, Semele, Danae, Kallisto, Jo, Leto, Europa etc. – er muß am Ende am Nordpol sich hinter Eisbergen verstecken und, um sein elendes Leben zu fristen, mit Kaninchenfellen handeln wie ein schäbiger Savoyarde!
    Ich zweifle nicht, daß es Leute gibt, die sich schadenfroh an solchem Schauspiel laben. Diese Leute sind vielleicht die Nachkommen jener unglücklichen Ochsen, die als Hekatomben auf den Altären Jupiters geschlachtet wurden – Freut euch, gerächt ist das Blut eurer Vorfahren, jener armen Schlachtopfer des Aberglaubens! Uns aber, die wir von keinem Erbgroll befangen sind, uns erschüttert der Anblick gefallener Größe, und wir widmen ihr unser frömmigstes Mitleid. Diese Empfindsamkeit verhinderte uns vielleicht, unsrer Erzählung jenen kalten Ernst zu verleihen, der eine Zierde des Geschichtschreibers ist; nur einigermaßen vermochten wir uns jener Gravität zu befleißen, die man nur in Frankreich erlangen kann. Bescheidentlich empfehlen wir uns der Nachsicht des Lesers, für welchen wir immer die höchste Ehrfurcht bezeugten, und somit schließen wir hier die erste Abteilung unserer Geschichte der Götter im Exil.

Einleitung zum »Don Quixote«
    »Leben und Taten des scharfsinnigen Junkers Don Quixote von der Mancha, beschrieben von Miguel Cervantes de Saavedra, war das erste Buch, das ich gelesen habe, nachdem ich schon in ein

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