Sämtliche Werke
Franzosenhassern sind Schelme, die sich diesen Haß absichtlich angelogen, ungetreue, schamlose, unehrliche, feige Schelme, die, entblößt von allen Tugenden des deutschen Volkes, sich mit den Fehlern desselben bekleiden, um sich den Anschein des Patriotismus zu geben und in diesem Gewande die wahren Freunde des Vaterlandes gefahrlos schmähen zu dürfen. Es ist ein doppelt falsches Spiel. Die Erinnerungen der Napoleonischen Kaiserzeit sind noch nicht ganz erloschen in unserer Heimat, man hat es dort noch nicht ganz vergessen, wie derb unsere Männer und wie zärtlich unsere Weiber von den Franzosen behandelt worden, und bei der großen Menge ist der Franzosenhaß noch immer gleichbedeutend mit Vaterlandsliebe: durch ein geschicktes Ausbeuten dieses Hasses hat man also wenigstens den Pöbel auf seiner Seite, wenn man gegen junge Schriftsteller zu Felde zieht, die eine Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland zu vermitteln suchen. Freilich, dieser Haß war einst staatsnützlich, als es galt, die Fremdherrschaft zurückzudrängen; jetzt aber ist die Gefahr nicht im Westen, Frankreich bedroht nicht mehr unsere Selbständigkeit, die Franzosen von heute sind nicht mehr die Franzosen von gestern, sogar ihr Charakter ist verändert, an die Stelle der leichtsinnigen Eroberungslust trat ein schwermütiger, beinah deutscher Ernst, sie verbrüdern sich mit uns im Reiche des Geistes, während im Reiche der Materie ihre Interessen mit den unsrigen sich täglich inniger verzweigen: Frankreich ist jetzt unser natürlicher Bundesgenosse. Wer dieses nicht einsieht, ist ein Dummkopf, wer dieses einsieht und dagegen handelt, ist ein Verräter.
Aber was hatte ein Herr Menzel zu verlieren bei dem Untergange Deutschlands? Ein geliebtes Vaterland? Wo ein Stock ist, da ist des Sklaven Vaterland. Seinen unsterblichen Ruhm? Dieser erlischt in derselben Stunde, wo der Kontrakt abläuft, der ihm die Redaktion des Stuttgarter »Literaturblattes« zusichert. Ja, will der Baron Cotta eine kleine Geldsumme als stipulierte Entschädigung springen lassen, so hat die Menzelsche Unsterblichkeit schon heute ein Ende. Oder hätte er etwas für seine Person zu fürchten? Lieber Himmel! wenn die mongolischen Horden nach Stuttgart kommen, läßt Herr Menzel sich aus der Theatergarderobe ein Amorkostüm holen, bewaffnet sich mit Pfeil und Bogen, und die Baschkiren, sobald sie nur sein Gesicht sehen, rufen freudig: »Das ist unser geliebter Bruder!«
Ich habe gesagt, daß bei unseren Teutomanen der affichierte Franzosenhaß ein doppelt falsches Spiel ist. Sie bezwecken dadurch zunächst eine Popularität, die sehr wohlfeil zu erwerben ist, da man dabei weder Verlust des Amtes noch der Freiheit zu befürchten hat. Das Losdonnern gegen heimische Gewalten ist schon weit bedenklicher. Aber um für Volkstribunen zu gelten, müssen unsere Teutomanen manchmal ein freiheitliches Wort gegen die deutschen Regierungen riskieren, und in der frechen Zagheit ihres Herzens bilden sie sich ein, die Regierungen würden ihnen gern gelegentlich ein bißchen Demagogismus verzeihen, wenn sie dafür desto unablässiger den Franzosenhaß predigten. Sie ahnen nicht, daß unsere Fürsten jetzt Frankreich nicht mehr fürchten, des Nationalhasses nicht mehr als Verteidigungsmittel bedürfen und den König der Franzosen als die sicherste Stütze des monarchischen Prinzips betrachten.
Wer je seine Tage im Exil verbracht hat, die feuchtkalten Tage und schwarzen langen Nächte, wer die harten Treppen der Fremde jemals auf- und abgestiegen, der wird begreifen, weshalb ich die Verdächtigung in betreff des Patriotismus mit wortreicherem Unwillen von mir abweise als alle andern Verleumdungen, die seit vielen Jahren in so reichlicher Fülle gegen mich zum Vorschein gekommen und die ich mit Geduld und Stolz ertrage. Ich sage mit Stolz: denn ich konnte dadurch auf den hochmütigen Gedanken geraten, daß ich zu der Schar jener Auserwählten des Ruhmes gehörte, deren Andenken im Menschengeschlechte fortlebt und die überall neben den geheiligten Lichtspuren ihrer Fußstapfen auch die langen, kotigen Schatten der Verleumdung auf Erden zurücklassen.
Auch gegen die Beschuldigung des Atheismus und der Immoralität möchte ich nicht mich, sondern meine Schriften verteidigen. Aber dieses ist nicht ausführbar, ohne daß es mir gestattet wäre, von der Höhe einer Synthese meine Ansichten über Religion und Moral zu entwickeln. Hoffentlich wird mir dieses, wie ich bereits erwähnt habe,
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