Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
Immoralität, vollständigst reinigen. Und ihr wißt, wie beschränkt das Feld ist, das jetzt meine Feder beackern darf.
    Wie gesagt, Herr Menzel hat mich nicht persönlich angegriffen, und ich habe wahrlich gegen ihn keinen persönlichen Groll. Wir waren sogar ehemals gute Freunde, und er hat mich oft genug wissen lassen, wie sehr er mich liebe. Er hat mir nie vorgeworfen, daß ich ein schlechter Dichter sei, und auch ich habe ihn gelobt. Ich hatte meine Freude an ihm, und ich lobte ihn in einem Journale, welches dieses Lob nicht lange überlebte. Ich war damals ein kleiner Junge, und mein größter Spaß bestand darin, daß ich Flöhe unter ein Mikroskop setzte und die Größe derselben den Leuten demonstrierte. Herr Menzel hingegen setzte damals den Goethe unter ein Verkleinerungsglas, und das machte mir ebenfalls ein kindisches Vergnügen. Die Späße des Herrn Menzel mißfielen mir nicht; er war damals witzig, und ohne just einen Hauptgedanken zu haben, eine Synthese, konnte er seine Einfälle sehr pfiffig kombinieren und gruppieren, daß es manchmal aussah, als habe er keine losen Streckverse, sondern ein Buch geschrieben. Er hatte auch einige wirkliche Verdienste um die deutsche Literatur; er stand vom Morgen bis Abend im Kote, mit dem Besen in der Hand, und fegte den Unrat, der sich in der deutschen Literatur angesammelt hatte. Durch dieses unreinliche Tagwerk aber ist er selber so schmierig und anrüchig geworden, daß man am Ende seine Nähe nicht mehr ertragen konnte; wie man den Latrinenfeger zur Türe hinausweist, wenn sein Geschäft vollbracht, so wird Herr Menzel jetzt selber zur Literatur hinausgewiesen. Zum Unglück für ihn hat das mistduftige Geschäft so völlig seine Zeit verschlungen, daß er unterdessen gar nichts Neues gelernt hat. Was soll er jetzt beginnen? Sein früheres Wissen war kaum hinreichend für den literarischen Hausbedarf; seine Unwissenheit war immer eine Zielscheibe der Mokerie für seine näheren Bekannten; nur seine Frau hatte eine große Meinung von seiner Gelehrsamkeit. Auch imponierte er ihr nicht wenig! Der Mangel an Kenntnissen und das Bedürfnis, diesen Mangel zu verbergen, hat vielleicht die meisten Irrtümer oder Schelmereien des Herrn Menzel hervorgebracht. Hätte er Griechisch verstanden, so würde es ihm nie in den Sinn gekommen sein, gegen Goethe aufzutreten. Zum Unglück war auch das Lateinische nicht seine Sache, und er mußte sich mehr ans Germanische halten, und täglich stieg seine Neigung für die Dichter des deutschen Mittelalters, für die edle Turnkunst und für Jakob Böhm, dessen deutscher Stil sehr schwer zu verstehen ist und den er auch in wissenschaftlicher Form herausgeben wollte.
    Ich sage dieses nur, um die Keime und Ursprünge seiner Teutomanie nachzuweisen, nicht um ihn zu kränken; wie ich denn überhaupt, was ich wiederholen muß, nicht aus Groll oder Böswilligkeit ihn bespreche. Sind meine Worte hart, so ist es nicht meine Schuld. Es gilt, dem Publikum zu zeigen, welche Bewandtnis es hat mit jenem bramarbasierenden Helden der Nationalität, jenem Wächter des Deutschtums, der beständig auf die Franzosen schimpft und uns arme Schriftsteller des Jungen Deutschlands für lauter Franzosen und Juden erklärt hat. Für Juden, das hätte nichts zu bedeuten; wir suchen nicht die Allianz des gemeinen Pöbels, und der Höhergebildete weiß wohl, daß Leute, die man als Gegner des Deismus anklagte, keine Sympathie für die Synagoge hegen konnten; man wendet sich nicht an die überwelken Reize der Mutter, wenn einem die alternde Tochter nicht mehr behagt. Daß man uns aber als die Feinde Deutschlands, die das Vaterland an Frankreich verrieten, darstellen wollte, das war wieder ein ebenso feiges wie hinterlistiges Bubenstück.
    Es sind vielleicht einige ehrliche Franzosenhasser unter dieser Meute, die uns ob unserer Sympathie für Frankreich so erbärmlich verkennen und so aberwitzig anklagen. Andere sind alte Rüden, die noch immer bellen wie Anno 1813 und deren Gekläffe eben von unserem Fortschritte zeugt. »Der Hund bellt, die Karawane marschiert«, sagt der Beduine. Sie bellen weniger aus Bosheit denn aus Gewohnheit, wie der alte räudige Hofhund, der ebenfalls jeden Fremden wütend anbelfert, gleichviel ob dieser Böses oder Gutes im Sinne führt. Die arme Bestie benutzt vielleicht diese Gelegenheit, um an ihrer Kette zu zerren und damit bedrohlich zu klirren, ohne daß es ihr der Hausherr übelnehmen darf. Die meisten aber unter jenen

Weitere Kostenlose Bücher