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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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er in sicherster Nähe… Möge er immer seine schnaubenden Feinde besiegen und dem Reiche den Frieden erhalten, bis zu seiner Todesstunde, wo er zu seinem Sohn jene Worte sprechen wird, die Shakespeare schon längst für ihn aufgeschrieben:
    Komm her, mein Sohn, und setz dich an mein Bett,
    Und hör den letzten Ratschlag, wie ich glaube,
    Den ich je atmen mag. Gott weiß, mein Sohn,
    Durch welche Nebenschlich’ und krumme Wege
    Ich diese Kron’ erlangt; ich selbst weiß wohl,
    Wie lästig sie auf meinem Haupte saß.
    Dir fällt sie heim nunmehr mit beßrer Ruh’,
    Mit beßrer Meinung, besserer Bestät’gung;
    Denn jeder Flecken der Erlangung geht
    Mit mir ins Grab. An mir erschien sie nur
    Wie eine Ehr’, erhascht mit heft’ger Hand;
    Und viele lebten noch, mir vorzurücken,
    Daß ich durch ihren Beistand sie gewonnen,
    Was täglich Zwist und Blutvergießen schuf,
    Dem vorgegebnen Frieden Wunden schlagend.
    All diese dreisten Schrecken, wie du siehst,
    Hab ich bestanden mit Gefahr des Lebens:
    Denn all mein Regiment war nur ein Auftritt,
    Der diesen Inhalt spielte; nun verändert
    Mein Tod die Weise; denn was ich erjagt,
    Das fällt dir nun mit schönerm Anspruch heim,
    Da du durch Erblichkeit die Krone trägst.
    Und stehst du sichrer schon, als ich es konnte,
    Du bist nicht fest genug, solang’ die Klagen
    So frisch noch sind; und allen meinen Freunden,
    Die du zu deinen Freunden machen mußt,
    Sind Zähn’ und Stachel kürzlich nur entnommen,
    Die durch gewaltsam Tun mich erst befördert,
    Und deren Macht wohl Furcht erregen konnte
    Vor neuer Absetzung; was zu vermeiden
    Ich sie verdarb und nun des Sinnes war,
    Zum Heil’gen Lande viele fortzuführen,
    Daß Ruh’ und Stilleliegen nicht zu nah
    Mein Reich sie prüfen ließ. Darum, mein Sohn,
    Beschäft’ge stets die schwindlichten Gemüter
    Mit fremdem Zwist, daß Wirken in der Fern’
    Das Angedenken vor’ger Tage banne.
    Mehr wollt ich, doch die Lung’ ist so erschöpft,
    Daß kräft’ge Rede gänzlich mir versagt ist.
    Wie ich zur Krone kam, o Gott vergebe!
    Daß sie bei dir in wahrem Frieden lebe!
Lady Anna
    (König Richard III.)

    Die Gunst der Frauen, wie das Glück überhaupt, ist ein freies Geschenk, man empfängt es, ohne zu wissen wie, ohne zu wissen warum. Aber es gibt Menschen, die es mit eisernem Willen vom Schicksal zu ertrotzen verstehen, und diese gelangen zum Ziele, entweder durch Schmeichelei oder indem sie den Weibern Schrecken einflößen oder indem sie ihr Mitleiden anregen oder indem sie ihnen Gelegenheit geben, sich aufzuopfern… Letzteres, nämlich das Geopfertsein, ist die Lieblingsrolle der Weiber und kleidet sie so schön vor den Leuten und gewährt ihnen auch in der Einsamkeit soviel tränenreiche Wehmutsgenüsse.
    Lady Anna wird durch alles dieses zu gleicher Zeit bezwungen. Wie Honigseim gleiten die Schmeichelworte von den furchtbaren Lippen… Richard schmeichelt ihr, derselbe Richard, welcher ihr alle Schrecken der Hölle einflößt, welcher ihren geliebten Gemahl und den väterlichen Freund getötet, den sie eben zu Grabe bestattet… Er befiehlt den Leichenträgern mit herrischer Stimme, den Sarg niederzusetzen, und in diesem Momente richtet er seine Liebeswerbung an die schöne Leidtragende… Das Lamm sieht schon mit Entsetzen das Zähnefletschen des Wolfes, aber dieser spitzt plötzlich die Schnauze zu den süßesten Schmeicheltönen… Die Schmeichelei des Wolfes wirkt so erschütternd, so berauschend auf das arme Lammgemüt, daß alle Gefühle darin eine plötzliche Umwandlung erleiden… Und König Richard spricht von seinem Kummer, von seinem Gram, so daß Anna ihm ihr Mitleid nicht versagen kann, um so mehr, da dieser wilde Mensch nicht sehr klagesüchtig von Natur ist… Und dieser unglückliche Mörder hat Gewissensbisse, spricht von Reue, und eine gute Frau könnte ihn vielleicht auf den besseren Weg leiten, wenn sie sich für ihn aufopfern wollte… Und Anna entschließt sich, Königin von England zu werden.
Königin Katharina
    (Heinrich VIII.)

    Ich hege ein unüberwindliches Vorurteil gegen diese Fürstin, welcher ich dennoch die höchsten Tugenden zugestehen muß. Als Ehefrau war sie ein Muster häuslicher Treue. Als Königin betrug sie sich mit höchster Würde und Majestät. Als Christin war sie die Frömmigkeit selbst. Aber den Doktor Samuel Johnson hat sie zum überschwenglichsten Lobe begeistert, sie ist unter allen Shakespeareschen Frauen sein auserlesener Liebling, er spricht von ihr mit

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