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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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England Geschmack zu finden begann, lieferte diesen Spielen allerlei verschiedene Rahmen und Muster, die sich auch sehr gut anpassen ließen auf jene Chroniken und Balladen, auf jene französischen und italienischen Novellen, welche, nebst den Ritterromanen, eine Lieblingslektüre des Publikums waren. Es ist begreiflich, wie diese reiche Fundgrube und diese leichte Gattung die Aufmerksamkeit Shakespeares schon frühe auf sich zog! Man darf sich nicht wundern, daß seine junge und glänzende Einbildungskraft sich gern in jenen Stoffen wiegte, wo sie, des strengen Vernunftjoches bar, auf Kosten der Wahrscheinlichkeit alle möglichen ernste und starke Effekte bereiten konnte! Dieser Dichter, dessen Geist und Hand mit gleicher Rastlosigkeit sich bewegten, dessen Manuskripte fast keine Spur von Verbesserungen enthielten, er mußte sich gewiß mit besonderer Lust jenen ungezügelten und abenteuerlichen Spielen hingeben, worin er ohne Anstrengung alle seine verschiedenartigen Fähigkeiten entfalten durfte. Er konnte alles in seine Komödien hineinschütten, und in der Tat! er goß alles hinein, ausgenommen, was mit einem solchen Systeme ganz unverträglich war, nämlich jene logische Verknüpfung, welche jeden Teil des Stückes dem Zwecke des Ganzen unterordnet und in jeder Einzelheit die Tiefe, Größe und Einheit des Werks bekundet. In den Tragödien des Shakespeare findet man schwerlich irgendeine Konzeption, eine Situation, einen Akt der Leidenschaft, einen Grad des Lasters oder der Tugend, welchen man nicht ebenfalls in einer seiner Komödien wiederfände; aber was sich dort in die abgründlichste Tiefe erstreckt, was sich fruchtbar an erschütternden Folgerungen erweist, was sich streng in eine Reihe von Ursachen und Wirkungen einfügt, das ist hier kaum angedeutet, nur für einen Augenblick hingeworfen, um einen flüchtigen Effekt zu erzielen und sich ebenso schnell in einer neuen Verknüpfung zu verlieren.«
    In der Tat, der Elefant hat recht: Das Wesen der Shakespeareschen Komödie besteht in der bunten Schmetterlingslaune, womit sie von Blume zu Blume dahingaukelt, selten den Boden der Wirklichkeit berührend. Nur im Gegensatz zu der realistischen Komödie der Alten und der Franzosen läßt sich von der Shakespeareschen Komödie etwas Bestimmtes aussagen.
    Ich habe vorige Nacht lange darüber nachgegrübelt, ob ich nicht dennoch von dieser unendlichen und unbegrenzten Gattung, von der Komödie des Shakespeare, eine positive Erklärung geben könnte. Nach langem Hin- und Hersinnen schlief ich endlich ein, und mir träumte, es sei sternhelle Nacht, und ich schwämme in einem kleinen Kahn, auf einem weiten, weiten See, wo allerlei Barken, angefüllt mit Masken, Musikanten und Fackeln, tönend und glänzend, manchmal nah, manchmal ferne, an mir vorbeifuhren. Das waren Kostüme aus allen Zeiten und Landen: altgriechische Tuniken, mittelalterliche Rittermäntel, orientalische Turbane, Schäferhüte mit flatternden Bändern, wilde und zahme Tierlarven… Zuweilen nickte mir eine wohlbekannte Gestalt… Zuweilen grüßten vertraute Weisen… Aber das zog immer schnell vorüber, und lauschte ich eben den Tönen der freudigen Melodie, die mir aus einer dahingleitenden Barke entgegenjubelten, so verhallten sie bald, und anstatt der lustigen Fiedeln erseufzten neben mir die melancholischen Waldhörner einer anderen Barke… Manchmal trug der Nachtwind beides zu gleicher Zeit an mein Ohr, und da bildeten diese gemischten Töne eine selige Harmonie… Die Wasser erklangen von unerhörtem Wohllaut und brannten im magischen Widerschein der Fackeln, und die buntbewimpelten Lustschiffe, mit ihrer abenteuerlichen Maskenwelt, schwammen in Licht und Musik… Eine anmutige Frauengestalt, die am Steuer einer jener Barken stand, rief mir im Vorbeifahren: »Nicht wahr, mein Freund, du hättest gern eine Definition von der Shakespeareschen Komödie?« Ich weiß nicht, ob ich es bejahte, aber das schöne Weib hatte zu gleicher Zeit ihre Hand ins Wasser getaucht und mir die klingenden Funken ins Gesicht gespritzt, so daß ein allgemeines Gelächter erscholl und ich davon erwachte.
    Wer war jene anmutige Frauengestalt, die mich solchermaßen im Traume neckte? Auf ihrem idealisch schönen Haupte saß eine buntscheckige gehörnte Schellenkappe, ein weißes Atlaskleid mit flatternden Bändern umschloß die fast allzu schlanken Glieder, und vor der Brust trug sie eine rotblühende Distel. Es war vielleicht die Göttin der Kaprice, jene sonderbare

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