Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
Blick sah lange das Pferd
    Dem Zuge nach. Es zittert
    An allen Gliedern, und seufzt und spricht:
    Der Anblick hat mich erschüttert!
    Wahrhaftig, wär’ ich nicht von Natur
    Bereits gewesen ein Schimmel,
    Erbleichend vor Schrecken wär’ mir die Haut
    Jetzt weiß geworden; o Himmel!
    Bedroht ist das ganze Pferdegeschlecht
    Von schrecklichen Schicksalsschlägen.
    Obgleich ein Schimmel, schau’ ich doch
    Einer schwarzen Zukunft entgegen.
    Uns Pferde tödtet die Concurrenz
    Von diesen Dampfmaschinen –
    Zum Reiten, zum Fahren wird sich der Mensch
    Des eisernen Viehes bedienen.
    Und kann der Mensch zum Reiten uns,
    Zum Fahren uns entbehren –
    Ade der Hafer! Ade das Heu!
    Wer wird uns dann ernähren?
    Des Menschen Herz ist hart wie Stein;
    Der Mensch giebt keinen Bissen
    Umsonst. Man jagt uns aus dem Stall,
    Wir werden verhungern müssen.
    Wir können nicht borgen und stehlen nicht,
    Wie jene Menschenkinder,
    Auch schmeicheln nicht wie der Mensch und der Hund –
    Wir sind verfallen dem Schinder.
    So klagte das Roß, und seufzte tief.
    Der Langohr unterdessen
    Hat mit der gemüthlichsten Seelenruh’
    Zwey Distelköpfe gefressen.
    Er leckte die Schnauze mit der Zung,
    Und gemüthlich begann er zu sprechen:
    Ich will mir wegen der Zukunft nicht
    Schon heute den Kopf zerbrechen.
    Ihr stolzen Rosse seyd freylich bedroht
    Von einem schrecklichen Morgen.
    Für uns bescheidne Esel jedoch
    Ist keine Gefahr zu besorgen.
    So Schimmel wie Rappen, so Schecken wie Fuchs,
    Ihr seid am Ende entbehrlich;
    Uns Esel jedoch ersetzt Hans Dampf
    Mit seinem Schornstein schwerlich.
    Wie klug auch die Maschinen sind,
    Welche die Menschen schmieden,
    Dem Esel bleibt zu jeder Zeit
    Sein sicheres Daseyn beschieden.
    Der Himmel verläßt seine Esel nicht,
    Die ruhig im Pflichtgefühle,
    Wie ihre frommen Väter gethan,
    Tagtäglich traben zur Mühle.
    Das Mühlrad klappert, der Müller mahlt,
    Und schüttet das Mehl in die Säcke;
    Das trag’ ich zum Bäcker, der Bäcker backt,
    Und der Mensch frißt Bröde und Wecke.
    In diesem uralten Naturkreislauf
    Wird ewig die Welt sich drehen,
    Und ewig unwandelbar wie die Natur,
    Wird auch der Esel bestehen.
    Moral
    Die Ritterzeit hat aufgehört,
    Und hungern muß das stolze Pferd.
    Dem armen Luder, dem Esel aber
    Wird niemals fehlen sein Heu und Haber.
    1852-55.
Aus der Zopfzeit
    Fabel
    Zu Kassel waren zwey Ratten,
    Die nichts zu essen hatten.
    Sie sahen sich lange hungrig an;
    Die eine Ratte zu wispern begann:
    Ich weiß einen Topf mit Hirsebrey,
    Doch leider steht eine Schildwach dabey;
    Sie trägt churfürstliche Uniform,
    Und hat einen Zopf der ist enorm;
    Die Flinte ist geladen mit Schrot,
    Und wer sich naht, den schießt sie todt.
    Die andere Ratte knistert
    Mit ihren Zähnchen und wispert:
    Des Churfürsten Durchlaucht sind gescheit,
    Er liebt die gute alte Zeit,
    Die Zeit der alten Chatten,
    Die lange Zöpfe hatten.
    Durch ihre Zöpfe die Chatten
    Wetteiferten mit den Ratten.
    Der Zopf ist aber das Sinnbild nur
    Des Schwanzes, den uns verlieh die Natur;
    Wir auserwählten Geschöpfe,
    Wir haben natürliche Zöpfe.
    O Churfürst, liebst du die Chatten,
    So liebst du auch die Ratten;
    Gewiß für uns dein Herze klopft,
    Da wir schon von der Natur bezopft.
    O gieb, du edler Philozopf,
    O gieb uns frey den Hirsetopf,
    O gieb uns frey den Topf mit Brey,
    Und löse ab die Schildwach dabey.
    Für solche Huld, für solchen Brey,
    Wir wollen dir dienen mit Lieb und Treu.
    Und stirbst du einst, auf deinem Grab
    Wir schneiden uns traurig die Schwänze ab,
    Und flechten sie um dein Haupt als Kranz;
    Dein Lorbeer sey ein Rattenschwanz!
    1852-55.
    Die Wahlesel
    Die Freiheit hat man satt am End’,
    Und die Republik der Tiere
    Begehrte, daß ein einz’ger Regent
    Sie absolut regiere.
    Jedwede Tiergattung versammelte sich,
    Wahlzettel wurden geschrieben;
    Parteisucht wütete fürchterlich,
    Intrigen wurden getrieben.
    Das Komitee der Esel ward
    Von Alt-Langohren regieret;
    Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard’,
    Die schwarz-rot-gold, verzieret.
    Es gab eine kleine Pferdepartei,
    Doch wagte sie nicht zu stimmen;
    Sie hatte Angst vor dem Geschrei
    Der Alt-Langohren, der grimmen.
    Als einer jedoch die Kandidatur
    Des Rosses empfahl, mit Zeter
    Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
    Und schrie: »Du bist ein Verräter!
    Du bist ein Verräter, es fließt in dir
    Kein Tropfen vom Eselsblute;
    Du bist kein Esel, ich glaube schier,
    Dich warf eine welsche Stute.
    Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut,
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher