Sämtliche Werke
Magd ward schwanger und gebar –
Wozu das viele Gewimmer?
Wer nie im Leben thörigt war,
Ein Weiser war er nimmer.
1852-53.
[Wer ein Herz hat und im Herzen]
Wer ein Herz hat und im Herzen
Liebe trägt ist überwunden
Schon zur Hälfte, und so lieg’ ich
Jetzt geknebelt und gebunden.
Wenn ich sterbe wird die Zunge
Ausgeschnitten meiner Leiche;
Denn sie fürchten, redend käm’ ich
Wieder aus dem Schattenreiche.
Stumm verfaulen wird der Todte
In der Gruft, und nie verrathen
Werd’ ich die an mir verübten
Lächerlichen Frevelthaten.
1852-54.
[Die Söhne des Glückes beneide ich nicht]
Die Söhne des Glückes beneide ich nicht
Ob ihrem Leben, beneiden
Will ich sie nur ob ihrem Tod,
Dem schmerzlos raschen Verscheiden.
Im Prachtgewand, das Haupt bekränzt
Und Lachen auf der Lippe
Sitzen sie froh beim Lebensbanquett –
Da trifft sie jählings die Hippe.
Im Festkleid und mit Rosen geschmückt,
Die noch wie lebend blühten
Gelangen in das Schattenreich
Fortunas Favoriten.
Nie hatte Siechthum sie entstellt,
Sind Todte von guter Miene
Und huldreich empfängt sie an ihrem Hof
Zarewna Proserpine.
Wie sehr muß ich beneiden ihr Loos!
Schon sieben Jahr mit herben
Qualvollen Gebresten wälz’ ich mich
Am Boden und kann nicht sterben!
O Gott, verkürze meine Qual
Damit man mich bald begrabe;
Du weißt ja, daß ich kein Talent
Zum Martyrthume habe.
Ob deiner Inconsequenz, O Herr,
Erlaube daß ich staune:
Du schufest den fröhlichsten Dichter und raubst
Ihm jetzt seine gute Laune
Der Schmerz verdumpft den heitern Sinn
Und macht mich melancholisch;
Nimmt nicht der traurige Spaß ein End,
So werd’ ich am Ende katholisch.
Ich heule dir dann die Ohren voll
Wie andre gute Christen –
O Miserere! Verloren geht
Der beste der Humoristen!
1853.
[Nachts, erfaßt vom wilden Geiste]
Nachts, erfaßt vom wilden Geiste,
Streck’ ich die geballten Fäuste
Drohend aus – jedoch erschlafft
Sinkt der Arm, mir fehlt die Kraft.
Leib und Seele sind gebrochen,
Und ich sterbe ungerochen.
Auch kein Blutsfreund zornentflammt,
Uebernimmt das Rächeramt.
Ach! Blutsfreunde sind es eben
Welche mir den Tod gegeben.
Und die schnöde Meuchelthat
Ward verübet durch Verrath.
Siegfried gleich dem hürnen Recken
Wußten sie mich hinzustrecken –
Leicht erspäht Familienlist,
Wo der Held verwundbar ist.
1854.
[Wenn sich die Blutegel vollgesogen]
Wenn sich die Blutegel vollgesogen,
Man streut auf ihren Rücken bloß
Ein Bischen Salz, und sie fallen ab –
Doch dich, mein Freund, wie werd ich dich los?
Mein Freund, mein Gönner, mein alter Blutsauger,
Wo find ich für dich das rechte Salz?
Du hast mir liebreich ausgesaugt
Den letzten Tropfen Rückgratschmalz.
Auch bin ich seitdem so abgemagert
Ein ausgebeutet armes Skelett –
Du aber schwollest stattlich empor
Die Wänglein sind roth, das Bäuchlein ist fett.
O Gott, schick mir einen braven Banditen,
Der mich ermordet mit raschem Stoß –
Nur diesen langweilgen Blutegel nicht;
Der langsam saugt – wie werd ich ihn los?
1854.
[Mir lodert und wogt im Hirn eine Fluth]
Mir lodert und wogt im Hirn eine Fluth
Von Wäldern, Bergen und Fluren;
Aus dem tollen Wust tritt endlich hervor
Ein Bild mit festen Conturen.
Das Städtchen das mir im Sinne schwebt
Ist Godesberg, ich denke.
Dort wieder unter dem Lindenbaum
Sitz ich vor der alten Schenke.
Der Hals ist mir trocken, als hätt ich verschluckt
Die untergehende Sonne.
Herr Wirth! Herr Wirth! eine Flasche Wein
Aus Eurer besten Tonne.
Es fließt der holde Rebensaft
Hinunter in meine Seele
Und löscht bey dieser Gelegenheit
Den Sonnenbrand der Kehle.
Und noch eine Flasche, Herr Wirth, ich trank
Die erste in schnöder Zerstreuung,
Ganz ohne Andacht! Mein edler Wein
Ich bitte dich drob um Verzeihung.
Ich sah hinauf nach dem Drachenfels,
Der hochromantisch beschienen
Vom Abendroth, sich spiegelt im Rhein
Mit seinen Burgruinen.
Ich horchte dem fernen Winzergesang
Und dem kecken Gezwitscher der Finken –
So trank ich zerstreut und an den Wein
Dacht’ ich nicht während dem Trinken.
Jetzt aber steck ich die Nase ins Glas,
Und ernsthaft zuvor beguck ich
Den Wein den ich schlucke, manchmal auch
Ganz ohne zu gucken, schluck ich.
Doch sonderbar! Während dem Schlucken wird mir
Zu Sinne als ob ich verdoppelt,
Ein andrer armer Schlucker sey
Mit mir zusammengekoppelt.
Der sieht so krank und elend aus
So bleich und abgemergelt.
Gar schmerzlich verhöhnend
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