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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Menschheitsideen beschuldigten. Was den ästhetischen Wert meines Poems betrifft, so gab ich ihn gern preis, wie ich es auch heute noch tue; ich schrieb dasselbe zu meiner eignen Lust und Freude, in der grillenhaften Traumweise jener romantischen Schule, wo ich meine angenehmsten Jugendjahre verlebt und zuletzt den Schulmeister geprügelt habe. In dieser Beziehung ist mein Gedicht vielleicht verwerflich. Aber du lügst, Brutus, du lügst, Cassius, und auch du lügst, Asinius, wenn ihr behauptet, mein Spott träfe jene Ideen, die eine kostbare Errungenschaft der Menschheit sind und für die ich selber soviel gestritten und gelitten habe. Nein, eben weil dem Dichter jene Ideen in herrlichster Klarheit und Größe beständig vorschweben, ergreift ihn desto unwiderstehlicher die Lachlust, wenn er sieht, wie roh, plump und täppisch von der beschränkten Zeitgenossenschaft jene Ideen aufgefaßt werden können. Er scherzt dann gleichsam über ihre temporelle Bärenhaut. Es gibt Spiegel, welche so verschoben geschliffen sind, daß selbst ein Apollo sich darin als eine Karikatur abspiegeln muß und uns zum Lachen reizt. Wir lachen aber alsdann nur über das Zerrbild, nicht über den Gott.
    Noch ein Wort. Bedarf es einer besondern Verwahrung, daß die Parodie eines Freiligrathschen Gedichtes, welche aus dem »Atta Troll« manchmal mutwillig hervorkichert und gleichsam seine komische Unterlage bildet, keineswegs eine Mißwürdigung des Dichters bezweckt? Ich schätze denselben hoch, zumal jetzt, und ich zähle ihn zu den bedeutendsten Dichtern, die seit der Juliusrevolution in Deutschland aufgetreten sind. Seine erste Gedichtesammlung kam mir sehr spät zu Gesicht, nämlich eben zur Zeit, als der »Atta Troll« entstand. Es mochte wohl an meiner damaligen Stimmung liegen, daß namentlich der »Mohrenfürst« so belustigend auf mich wirkte. Diese Produktion wird übrigens als die gelungenste gerühmt. Für Leser, welche diese Produktion gar nicht kennen – und es mag deren wohl in China und Japan geben, sogar am Niger und am Senegal –, für diese bemerke ich, daß der Mohrenkönig, der zu Anfang des Gedichtes aus seinem weißen Zelte, wie eine Mondfinsternis, hervortritt, auch eine schwarze Geliebte besitzt, über deren dunkles Antlitz die weißen Straußfedern nicken. Aber kriegsmutig verläßt er sie, er zieht in die Negerschlacht, wo da rasselt die Trommel, mit Schädeln behangen – ach, er findet dort sein schwarzes Waterloo und wird von den Siegern an die Weißen verkauft. Diese schleppen den edlen Afrikaner nach Europa, und hier finden wir ihn wieder im Dienste einer herumziehenden Reutergesellschaft, die ihm, bei ihren Kunstvorstellungen, die türkische Trommel anvertraut hat. Da steht er nun, finster und ernsthaft, am Eingange der Reitbahn und trommelt, doch während des Trommelns denkt er an seine ehemalige Größe, er denkt daran, daß er einst ein absoluter Monarch war, am fernen, fernen Niger, und daß er gejagt den Löwen, den Tiger –
    »Sein Auge ward naß; mit dumpfem Klang
    Schlug er das Fell, daß es rasselnd zersprang.«
    Geschrieben zu Paris im Dezember 1846
    Heinrich Heine
    Caput I
    Rings umragt von dunklen Bergen,
    Die sich trotzig übergipfeln,
    Und von wilden Wasserstürzen
    Eingelullet, wie ein Traumbild,
    Liegt im Tal das elegante
    Cauterets. Die weißen Häuschen
    Mit Balkonen; schöne Damen
    Stehn darauf und lachen herzlich.
    Herzlich lachend schaun sie nieder
    Auf den wimmelnd bunten Marktplatz,
    Wo da tanzen Bär und Bärin
    Bei des Dudelsackes Klängen.
    Atta Troll und seine Gattin,
    Die geheißen schwarze Mumma,
    Sind die Tänzer, und es jubeln
    Vor Bewundrung die Baskesen.
    Steif und ernsthaft, mit Grandezza,
    Tanzt der edle Atta Troll,
    Doch der zott’gen Ehehälfte
    Fehlt die Würde, fehlt der Anstand.
    Ja, es will mich schier bedünken,
    Daß sie manchmal cancaniere,
    Und gemütlos frechen Steißwurfs
    An die Grand’-Chaumière erinnre.
    Auch der wackre Bärenführer,
    Der sie an der Kette leitet,
    Scheint die Immoralität
    Ihres Tanzes zu bemerken.
    Und er langt ihr manchmal über
    Ein’ge Hiebe mit der Peitsche,
    Und die schwarze Mumma heult dann,
    Daß die Berge widerhallen.
    Dieser Bärenführer trägt
    Sechs Madonnen auf dem Spitzhut,
    Die sein Haupt vor Feindeskugeln
    Oder Läusen schützen sollen.
    Über seine Schulter hängt
    Eine bunte Altardecke,
    Die als Mantel sich gebärdet;
    Drunter lauscht Pistol und Messer.
    War ein Mönch in seiner Jugend,
    Später ward er

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