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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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unvernünftig!
    Menschen, seid ihr etwa besser
    Als wir andre, weil gesotten
    Und gebraten eure Speisen?
    Wir verzehren roh die unsern,
    Doch das Resultat am Ende
    Ist dasselbe – Nein, es adelt
    Nicht die Atzung; der ist edel,
    Welcher edel fühlt und handelt.
    Menschen, seid ihr etwa besser,
    Weil ihr Wissenschaft und Künste
    Mit Erfolg betreibt? Wir andre
    Sind nicht auf den Kopf gefallen.
    Gibt es nicht gelehrte Hunde?
    Und auch Pferde, welche rechnen
    Wie Kommerzienräte? Trommeln
    Nicht die Hasen ganz vorzüglich?
    Hat sich nicht in Hydrostatik
    Mancher Biber ausgezeichnet?
    Und verdankt man nicht den Störchen
    Die Erfindung der Klistiere?
    Schreiben Esel nicht Kritiken?
    Spielen Affen nicht Komödie?
    Gibt es eine größre Mimin,
    Als Batavia, die Meerkatz’?
    Singen nicht die Nachtigallen?
    Ist der Freiligrath kein Dichter?
    Wer besäng den Löwen besser
    Als sein Landsmann, das Kamel?
    In der Tanzkunst hab ich selber
    Es so weit gebracht wie Raumer
    In der Schreibkunst – schreibt er besser,
    Als ich tanze, ich der Bär?
    Menschen, warum seid ihr besser
    Als wir andre? Aufrecht tragt ihr
    Zwar das Haupt, jedoch im Haupte
    Kriechen niedrig die Gedanken.
    Menschen, seid ihr etwa besser
    Als wir andre, weil eu’r Fell
    Glatt und gleißend? Diesen Vorzug
    Müßt ihr mit den Schlangen teilen.
    Menschenvolk, zweibein’ge Schlangen,
    Ich begreife wohl, warum ihr
    Hosen tragt! Mit fremder Wolle
    Deckt ihr eure Schlangennacktheit.
    Kinder! hütet euch vor jenen
    Unbehaarten Mißgeschöpfen!
    Meine Töchter! Traut nur keinem
    Untier, welches Hosen trägt!«
    Weiter will ich nicht berichten,
    Wie der Bär in seinem frechen
    Gleichheitsschwindel räsonierte
    Auf das menschliche Geschlecht.
    Denn am Ende bin ich selber
    Auch ein Mensch, und wiederholen
    Will ich nimmer die Sottisen,
    Die am Ende sehr beleid’gend.
    Ja, ich bin ein Mensch, bin besser
    Als die andern Säugetiere;
    Die Intressen der Geburt
    Werd ich nimmermehr verleugnen.
    Und im Kampf mit andern Bestien
    Werd ich immer treulich kämpfen
    Für die Menschheit, für die heil’gen
    Angebornen Menschenrechte.
    Caput VI
    Doch es ist vielleicht ersprießlich
    Für den Menschen, der den höhern
    Viehstand bildet, daß er wisse,
    Was da unten räsoniert wird.
    Ja, da unten in den düstern
    Jammersphären der Gesellschaft,
    In den niedern Tierweltschichten,
    Brütet Elend, Stolz und Groll.
    Was naturgeschichtlich immer,
    Also auch gewohnheitsrechtlich,
    Seit Jahrtausenden bestanden,
    Wird negiert mit frecher Schnauze.
    Von den Alten wird den Jungen
    Eingebrummt die böse Irrlehr’,
    Die auf Erden die Kultur
    Und Humanität bedroht.
    »Kinder« – grommelt Atta Troll,
    Und er wälzt sich hin und her
    Auf dem teppichlosen Lager –
    »Kinder, uns gehört die Zukunft!
    Dächte jeder Bär und dächten
    Alle Tiere so wie ich,
    Mit vereinten Kräften würden
    Wir bekämpfen die Tyrannen.
    Es verbände sich der Eber
    Mit dem Roß, der Elefant
    Schlänge brüderlich den Rüssel
    Um das Horn des wackern Ochsen;
    Bär und Wolf, von jeder Farbe,
    Bock und Affe, selbst der Hase,
    Wirkten ein’ge Zeit gemeinsam,
    Und der Sieg könnt uns nicht fehlen.
    Einheit, Einheit ist das erste
    Zeitbedürfnis. Einzeln wurden
    Wir geknechtet, doch verbunden
    Übertölpeln wir die Zwingherrn.
    Einheit! Einheit! und wir siegen,
    Und es stürzt das Regiment
    Schnöden Monopols! Wir stiften
    Ein gerechtes Animalreich.
    Grundgesetz sei volle Gleichheit
    Aller Gotteskreaturen,
    Ohne Unterschied des Glaubens
    Und des Fells und des Geruches.
    Strenge Gleichheit! Jeder Esel
    Sei befugt zum höchsten Staatsamt,
    Und der Löwe soll dagegen
    Mit dem Sack zur Mühle traben.
    Was den Hund betrifft, so ist er
    Freilich ein serviler Köter,
    Weil Jahrtausende hindurch
    Ihn der Mensch wie’n Hund behandelt;
    Doch in unserm Freistaat geben
    Wir ihm wieder seine alten
    Unveräußerlichen Rechte,
    Und er wird sich bald veredeln.
    Ja, sogar die Juden sollen
    Volles Bürgerrecht genießen
    Und gesetzlich gleichgestellt sein
    Allen andern Säugetieren.
    Nur das Tanzen auf den Märkten
    Sei den Juden nicht gestattet;
    Dies Amendement, ich mach es
    Im Intresse meiner Kunst.
    Denn der Sinn für Stil, für strenge
    Plastik der Bewegung, fehlt
    Jener Rasse, sie verdürben
    Den Geschmack des Publikums.«
    Caput VII
    Düster, in der düstern Höhle,
    Hockt im trauten Kreis der Seinen
    Atta Troll, der Menschenfeind,
    Und er brummt und fletscht die Zähne:
    »Menschen, schnippische Kanaillen!
    Lächelt nur!

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