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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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der Ferne rast der Sturzbach,
    Und der Wind heult in den Föhren!
    Ein Geräusch, das unerbittlich
    Und fatal wie die Verzweiflung.
    Schauerliche Einsamkeiten!
    Schwarze Dohlenscharen sitzen
    Auf verwittert morschen Tannen,
    Flattern mit den lahmen Flügeln.
    Neben mir geht der Laskaro,
    Blaß und schweigsam, und ich selber
    Mag wohl wie der Walmsinn aussehn,
    Den der leid’ge Tod begleitet.
    Eine häßlich wüste Gegend.
    Liegt darauf ein Fluch? Ich glaube
    Blut zu sehen an den Wurzeln
    Jenes Baums, der ganz verkrüppelt.
    Er beschattet eine Hütte,
    Die verschämt sich in der Erde
    Halb versteckt; wie furchtsam flehend
    Schaut dich an das arme Strohdach.
    Die Bewohner dieser Hütte
    Sind Cagoten, Überbleibsel
    Eines Stamms, der tief im Dunkeln
    Sein zertretnes Dasein fristet.
    In den Herzen der Baskesen
    Würmelt heute noch der Abscheu
    Vor Cagoten. Düstres Erbteil
    Aus der düstern Glaubenszeit.
    In dem Dome zu Bagnères
    Lauscht ein enges Gitterpförtchen;
    Dieses, sagte mir der Küster,
    War die Türe der Cagoten.
    Streng versagt war ihnen eh’mals
    Jeder andre Kircheneingang,
    Und sie kamen wie verstohlen
    In das Gotteshaus geschlichen.
    Dort auf einem niedern Schemel
    Saß der Cagot, einsam betend,
    Und gesondert, wie verpestet,
    Von der übrigen Gemeinde. –
    Aber die geweihten Kerzen
    Des Jahrhunderts flackern lustig,
    Und das Licht verscheucht die bösen
    Mittelalterlichen Schatten! –
    Stehnblieb draußen der Laskaro,
    Während ich in des Cagoten
    Niedre Hütte trat. Ich reichte
    Freundlich meine Hand dem Bruder.
    Und ich küßte auch sein Kind,
    Das, am Busen seines Weibes
    Angeklammert, gierig saugte;
    Einer kranken Spinne glich es.
    Caput XVI
    Schaust du diese Bergesgipfel
    Aus der Fern’, so strahlen sie,
    Wie geschmückt mit Gold und Purpur,
    Fürstlich stolz im Sonnenglanze.
    Aber in der Nähe schwindet
    Diese Pracht, und wie bei andern
    Irdischen Erhabenheiten
    Täuschten dich die Lichteffekte.
    Was dir Gold und Purpur dünkte,
    Ach, das ist nur eitel Schnee,
    Eitel Schnee, der blöd und kläglich
    In der Einsamkeit sich langweilt.
    Oben in der Nähe hört ich,
    Wie der arme Schnee geknistert,
    Und den fühllos kalten Winden
    All sein weißes Elend klagte.
    »Oh, wie langsam« – seufzt’ er – »schleichen
    In der Öde hier die Stunden!
    Diese Stunden ohne Ende,
    Wie gefrorne Ewigkeiten!
    Oh, ich armer Schnee! Oh, wär ich,
    Statt auf diese Bergeshöhen,
    Wär ich doch ins Tal gefallen,
    In das Tal, wo Blumen blühen!
    Hingeschmolzen wär ich dann
    Als ein Bächlein, und des Dorfes
    Schönstes Mädchen wüsche lächelnd
    Ihr Gesicht mit meiner Welle.
    Ja, ich wär vielleicht geschwommen
    Bis ins Meer, wo ich zur Perle
    Werden konnte, um am Ende
    Eine Königskron’ zu zieren!«
    Als ich diese Reden hörte,
    Sprach ich: »Liebster Schnee, ich zweifle,
    Daß im Tale solch ein glänzend
    Schicksal dich erwartet hätte.
    Tröste dich. Nur wen’ge unten
    Werden Perlen, und du fielest
    Dort vielleicht in eine Pfütze,
    Und ein Dreck wärst du geworden!«
    Während ich in solcher Weise
    Mit dem Schnee Gespräche führte,
    Fiel ein Schuß, und aus den Lüften
    Stürzt’ herab ein brauner Geier.
    Späßchen war’s von dem Laskaro,
    Jägerspäßchen. Doch sein Antlitz
    Blieb wie immer starr und ernsthaft.
    Nur der Lauf der Flinte rauchte.
    Eine Feder riß er schweigend
    Aus dem Steiß des Vogels, steckte
    Sie auf seinen spitzen Filzhut,
    Und er schritt des Weges weiter.
    Schier unheimlich war der Anblick,
    Wie sein Schatten mit der Feder
    Auf dem weißen Schnee der Koppen,
    Schwarz und lang, sich hinbewegte.
    Caput XVII
    Ist ein Tal gleich einer Gasse,
    Geisterhohlweg ist der Name;
    Schroffe Felsen ragen schwindlicht
    Hoch empor zu jeder Seite.
    Dort, am schaurig steilsten Abhang,
    Lugt ins Tal, wie eine Warte,
    Der Uraka keckes Häuslein;
    Dorthin folgt ich dem Laskaro.
    Mit der Mutter hielt er Rat
    In geheimster Zeichensprache,
    Wie der Atta Troll gelockt
    Und getötet werden könne.
    Denn wir hatten seine Fährte
    Gut erspürt. Entrinnen konnt er
    Uns nicht mehr. Gezählt sind deine
    Lebenstage, Atta Troll!
    Ob die Alte, die Uraka,
    Wirklich eine ausgezeichnet
    Große Hexe, wie die Leute
    In den Pyrenä’n behaupten,
    Will ich nimmermehr entscheiden.
    Soviel weiß ich, daß ihr Äußres
    Sehr verdächtig. Sehr verdächtig
    Triefen ihre roten Augen.
    Bös und schielend ist der Blick;
    Und es heißt, den armen Kühen,
    Die sie anblickt, trockne plötzlich
    In der Euter alle Milch.
    Man

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