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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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    Dann fliehn mit schamverhüllten Angesichtern
    Die Engel, die der Hauptstadt Tore hüten,
    Und siegreich ziehen ein der Feinde Scharen.
    ALMANSOR.
    Ich denke noch des unheilschwangern Tags;
    Ich stand am Tor des Schlosses unten, plötzlich
    Sprengt rasch einher, auf schwarzem Roß, ein Reiter.
    Wild, und verstörten Blicks, und atemlos
    Fragt’ er nach Vater. Schnell die Trepp’ hinauf –
    Und in des Vaters offne Arme sank er.
    Da sah ich erst, es war der gute Aly –
    HASSAN
bitter.
    Der gute Aly!
    ALMANSOR.
    »Aly, sprich, was bringst du?«
    Sprach schnell mein Vater. – Oh, da stürzten Bäche
    Blutdunkler Tränen über Alys Wangen,
    Und schluchzend sprach er: »In Granada haben
    Don Ferdinand und Isabell den Einzug
    Gehalten, unterm Schalle der Drommeten,
    Und König Boabdil hat ihnen kniend
    Die Schlüssel überreicht auf goldnem Becken,
    Und auf Alhambras Turm steht aufgepflanzt
    Kastiliens Fahne und Mendozas Kreuz.«
    HASSAN
hält sich die Augen zu.
    Oh! eine Gnade nur verlang ich, Allah!
    Lösch aus in meinem Hirn dies Bild des Greuels!
    ALMANSOR.
    Noch schwebt mir’s vor, wie dieser Botschaft Blitz
    In jedem Mund die Zunge kalt gelähmt.
    Bleich, stumm und stieren Blickes stand mein Vater,
    Die Arme hingen lang und schlaff herab,
    Die Knie schlotterten, und wie er hinsank,
    Erhub sich Weiberjammer und Geheul.
    HASSAN.
    Lösch aus in meinem Hirn dies Bild des Greuels!
    ALMANSOR.
    Da schloß mich an sein Herz der gute Aly;
    Hielt mir besorgt die nassen Augen zu,
    Um mir des Jammers Anblick zu verbergen,
    Und zog mich fort, und hub mich auf sein Roß –
    HASSAN
bitter lächelnd.
    Und trug dich fort nach seinem hübschen Schloß,
    Wo dich empfing die liebliche Zuleima,
    Und dir die Träne aus dem Aug’ gelächelt,
    Vielleicht geküßt –
    ALMANSOR.
    Du boshaft saurer Hassan!
    Vergiß nicht, daß ich noch ein Knabe war.
    Auch irrst du dich, Zuleimas Augenstrahlen
    Vermochten’s nicht, mein nasses Aug’ zu trocknen.
    Ich stahl mich heimlich fort aus Alys Schloß,
    Und war in wen’gen Stunden hier zurück.
    Hier auf dem Boden wälzte sich mein Vater,
    Sein Kleid zerrissen, Asche auf dem Haupt,
    Und wildzerrauft des Bartes weiße Locken.
    Hier neben ihm lag weinend meine Mutter,
    Mitsamt den Dienerinnen schwarz verschleiert.
    Und wenn es still ward, und nur eine Stimme
    Aufseufzend rief das Wort »Granada!«, so
    Ergoß sich doppelt laut die alte Klage.
    HASSAN
weinend.
    Versieget nie, ihr ew’gen Tränenquellen!
    ALMANSOR.
    Sieh nicht so kläglich aus, du alter Hassan!
    Weit besser kleidet dich der Löwentrotz,
    Mit dem du, harnischglänzend, waffenklirrend,
    Zu uns Erstaunten tratest in den Saal.
    Ich seh dich noch, wie du zum Vater sprachest:
    »Ich kann nicht länger dienen dir, Abdullah,
    Dieweil mein Gott jetzt seines Knechts bedarf.«
    Und festen Gangs verließest du das Schloß,
    Und seit der Zeit sah ich dich niemals wieder.
    HASSAN.
    Zu jenen Kämpfern hatt ich mich gesellt,
    Die ins Gebürge, auf die kalten Höhn,
    Mit ihren heißen Herzen sich geflüchtet.
    So wie der Schnee dort oben nimmer schwindet,
    So schwand auch nie die Glut in unsrer Brust;
    Wie jene Berge nie und nimmer wanken,
    So wankte nimmer unsre Glaubenstreue;
    Und wie von jenen Bergen Felsenblöcke
    Öfters herunterrollen, allzerschmetternd,
    So stürzten wir von jenen Höhen oft,
    Zermalmend, auf das Christenvolk im Tal;
    Und wenn sie sterbend röchelten, die Buben,
    Wenn ferne wimmerten die Trauerglocken,
    Und Angstgesänge dumpf dazwischenschollen,
    Dann klang’s in unsre Ohren süß wie Wollust.
    Doch hat solch blutigen Besuch erwidert
    Unlängst Graf Aquilar mit seinen Rittern.
    Der hat zum letzten Tanz uns aufgespielt;
    Und beim Geschmetter gellender Trompeten,
    Bei der Kanonen dumpfem Paukenschalle,
    Beim Kehrausfiedeln kastilian’scher Klingen,
    Und bei der Kugeln lustig hellem Pfeifen,
    Flog jählings mancher Maure in den Himmel,
    Und wen’ge nur entrannen wir dem Tanzplatz.
    Doch sprich, Almansor, wie erging es Euch?
    Mit jenen Freunden floh ich jüngst hierher,
    Und fand nur öde Säle, und betrübt
    Sahn auf mich nieder diese kahlen Wände,
    Und traur’ge Ahnung gab das traur’ge Schloß.
    ALMANSOR.
    Verlange nicht ein Klagelied, laß schlummern
    Die lieben Toten und Almansors Schmerzen.
    Du sahst ja damals, wie auf schwarzem Roß
    Der gute Aly hergebracht das Unglück.
    Nie kommt das Unglück ohne sein Gefolge!
    Tagtäglich kamen aus Granada schlimmre
    Botschaften her; und wie der Wandrer

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