Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:

    ALY.
    Mitteilen aber muß ich’s Euch, dem Bräut’gam.
    Doch erst gelobt mir, daß Ihr es verschweigt,
    Sogar vor Eurer Braut, damit ich ihr
    Den großen Schmerz erspare, und die Ruh’
    Aus ihrem süßen Herzchen nicht verscheuche.
    DON ENRIQUE
gibt ihm den Handschlag.
    Mit meinem Ritterwort gelob ich Schweigen.
    ALY.
    Ihr wißt, ich hieß nicht immer Don Gonzalvo.
    DON ENRIQUE.
    Nicht minder schön und herrlich war der Name,
    Den jedermann Euch gab, dem guten Aly.
    ALY.
    Ja, ja! den guten Aly nannt man mich!
    Doch hätt man mich mit besserm Recht genannt:
    Den glücklichen. Denn Aly war einst glücklich,
    Durch Freundschaft und durch Liebe.
    Einen Freund,
    Den seltensten der Schätze, gab mir Gott.
    Und auch ein Weib, ein Weib, so schön, so mild –
    Nein, Sünde ist es, sie ein Weib zu nennen –
    Ein Engel lag an meinem sel’gen Herzen;
    Und auch noch Vaterfreuden sollt ich fühlen.
    Mein holdes Weib gebar mir einen Knaben;
    Sie selber aber wurde bleich und bleicher –
    Und starb.
    Da goß der Freund mir Trost ins Herz,
    Und da sein Weib, just zu derselben Zeit,
    Ein Töchterchen gebar, hat diese Gute
    Zu sich genommen mein verwaistes Kind,
    Und großgesäugt und mütterlich gepflegt.
    Doch als ich wieder zu mir nahm ins Schloß
    Den Schmerzensohn, ergriff, bei seinem Anblick,
    Mich jedesmal aufs neu’ der alte Schmerz
    Ob seiner toten Mutter. Dieses merkte
    Mein kluger Freund, und einst sprach er zu mir:
    »Was dünkt dir, Aly, wenn wir unsre Kinder
    Schon jetzt als Braut und Bräutigam verlobten,
    Um unsre Freundschaft fester noch zu gründen?«
    Laut weinend fiel ich in des Freundes Arm,
    Und in derselben Stunde ward beschlossen:
    Daß ich des Freundes Tochter zu mir nehmen
    Und unter Ammenleitung, hier im Schlosse,
    Selbst auferziehen sollt, damit ich selbst
    Dem eignen Sohn ein wackres Weib erziehe,
    Und daß mein Sohn erzogen werden sollte
    Von meinem Freund, damit er selber bilde
    Den künft’gen Eh’mann seiner einz’gen Tochter.
    Und dies geschah.
    DON ENRIQUE.
    Ich brenne vor Begier –
    ALY.
    Die Kinder wuchsen auf, und sahn sich oft,
    Und liebten sich – bis das Gewitter kam.
    Ihr wißt wohl, wie sein Blitzstrahl eingeschlagen
    In des Alhambras höchsten Turm, wie viele
    Der edelsten Geschlechter von Granada
    Zur Religion des Kreuzes sich gewandt.
    Ihr wißt, daß es der frommen Christenamme
    Schon längst gelang, Zuleimas sanftes Herz
    Für Christum zu gewinnen, daß die Holde
    Den Heiland auch bald öffentlich bekannte,
    Und durch der Taufe heil’ges Sakrament
    Den schönen Namen Clara sich gewann.
    Ich ging denselben Weg, dem eignen Herzen
    Und der geliebten Pflegetochter folgend.
    Ich hegte keinen Zweifel, daß mein Freund,
    Der Gleichgesinnte, gleichem Beispiel huld’ge.
    Doch wehe mir, er war ein blinder Moslem,
    Und nahm die Botschaft auf mit kaltem Zorne,
    Und ließ mir melden: Seines Gottes Feind,
    Den hasse er, als seinen eignen Feind,
    Er wolle nie der Gottesleugnerin,
    Der eignen Tochter Antlitz wiedersehn,
    Er wolle fliehen aus dem Land der Schlangen,
    Und meinen Sohn, das eigne Pflegekind,
    Den wolle er dem Zorne Allahs opfern,
    Und mit des Sohnes Blut den Vater sühnen.
    Und Wort gehalten hat der Wüterich!
    Vergebens eilte ich nach seinem Schlosse;
    Er war entflohn, entflohn mit seiner Beute.
    Ich sah den armen Knaben nimmer wieder;
    Und Krämer einst, die von Marokko kamen,
    Erzählten mir vom Tode meines Sohns.
    DON ENRIQUE
mit affektiertem Schmerze.
    O schrecklich! schrecklich! Rührung übermannt mich!
    Mein Herz verblutet! Und Ihr habt Euch nicht
    Furchtbar gerächt an diesem Wüterich?
    Ihr hattet ja des Buben eigne Tochter
    In der Gewalt? Wie habt Ihr da gehandelt?
    ALY
stolz.
    Ich hab gehandelt, Señor, wie ein Christ. –
    Geht ab.
    DON ENRIQUE
allein.
    Soll ich es Don Diego sagen? Ja, ja.
    Er soll mal sehn, daß er nicht alles weiß.
    Er sieht mich an für dumm. Nur immer zu!
    Wir wollen sehen, wer der Klügste ist.
    Die Tanzmusik beginnt wieder.
    Doch still davon. Da rufen schönre Töne,
    Und meine schöne Doña darf nicht warten.
    Er geht ab.
Nacht. Alys Schloß von außen
    Die Fenster sind erleuchtet. Fröhliche Tanzmusik im Schlosse.
    Almansor steht sinnend davor. Die Musik schweigt.
    ALMANSOR.
    Fürwahr, recht hübsch ist die Musik. Nur schade,
    Hör ich der Zimbeln hüpfend helles Klingen,
    Fühl ich im Herzen tausend Natterstiche;
    Hör ich der Geigen langsam weiche Töne,
    Zieht mir ein Messer schneidend durch die Brust;
    Hör ich dazwischen die

Weitere Kostenlose Bücher