Sämtliche Werke
schnell
Sich mit dem Antlitz auf den Boden wirft,
Wenn ihm entgegenweht der glühnde Samum,
So stürzten wir oft weinend hin zur Erde,
Daß uns der Kunden gift’ger Hauch nicht töte.
Bald hörten wir vom Abfall unsrer Priester,
Der Morabiten und der Alfaquis; –
HASSAN.
Gibt’s irgendwo ’nen Glauben zu verschachern,
So sind zuerst die Pfaffen bei der Hand.
ALMANSOR.
Bald hörten wir, daß auch der große Zegri,
In feiger Todesangst, das Kreuz umklammert;
Daß vieles Volk dem Beispiel Großer folgte,
Und Tausende ihr Haupt zur Taufe beugten; –
HASSAN.
Der neue Himmel lockt viel alte Sünder.
ALMANSOR.
Wir hörten, daß der furchtbare Ximenes,
Inmitten auf dem Markte, zu Granada –
Mir starrt die Zung’ im Munde – den Koran
In eines Scheiterhaufens Flamme warf!
HASSAN.
Das war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher
Verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.
ALMANSOR.
Am Ende kam die allerschlimmste Botschaft: –
Stockt.
Daß auch der gute Aly Christ geworden. –
Pause.
Da quoll kein Tropfen aus des Vaters Augen,
Kein Klagelaut entstahl sich seinem Mund,
Kein Haar entraufte er dem greisen Haupte; –
Nur seine Antlitzmuskeln zuckten krampfhaft,
Und wildverzerrt, und schneidend brach hervor
Aus seiner Brust ein gellendes Gelächter.
Und wie ich mich mit leisem Weinen nahte,
Ergriff’s wie Wahnsinnwut den armen Vater.
Er zog den Dolch und nannt mich »Schlangenbrut«
Und wollt mir schon die Brust durchstoßen – plötzlich
Zog sich’s wie sanftrer Schmerz um seine Lippen.
»Du, Knabe, sollst die Schuld nicht büßen«, sprach er,
Und wankte fort nach seiner stillen Kammer.
Dort saß er schweigend, ohne Speis’ und Trank,
Drei Tage lang. Doch wie er da hervorkam,
Schien er wie umgewandelt. Ruhig war er,
Befahl den Knechten: all sein Hab und Gut
Auf Maultier’ und auf Wagen aufzuladen;
Befahl den Weibern: uns mit Wein und Brot
Für eine lange Reise zu versorgen.
Als das geschehn, nahm er in seine Arme,
Und trug es selbst, das allerbeste Kleinod,
Die Rolle der Gesetze Mahomets,
Dieselben alten, heil’gen Pergamente,
Die einst die Väter mitgebracht nach Spanien.
Und so verließen wir der Heimat Fluren,
Und zogen fort, halb zaudernd und halb eilig,
Als wenn es unsichtbar, mit weichen Armen
Und schmelzend lieber Stimm’, uns rückwärts zöge,
Und dennoch Wolfsgeheul uns vorwärts triebe.
Als wär’s ein Mutterkuß beim letzten Scheiden,
So sogen wir begierig ein den Duft
Der span’schen Myrten- und Zitronenwälder;
Derweil die Bäume klagend uns umrauschten,
Wehmütig süß die Lüfte uns umspielten,
Und traur’ge Vöglein, wie zum Lebewohl,
Uns stumme Wandrer stumm umflatterten.
HASSAN.
Ihr hieltet fest in Euren treuen Händen
Den besten Wanderstab, der Väter Glauben.
ALMANSOR.
Wo Tariks Fuß zuerst dies Land betrat,
Setzten wir schleunig über nach Marokko,
Wohin die Besten unsres Volkes flohn.
Doch als wir landeten, erblich die Mutter,
Und legte still ins Grab ihr müdes Haupt.
HASSAN.
Von rauher Hand versetzt in fremden Boden,
Hat welken müssen solche zarte Lilie.
ALMANSOR.
In Trauerkleidern reisten wir von dannen,
Und schlossen uns an jene Karawanen,
Die nach dem heil’gen Mekka gläubig wallen.
In Jemen, in dem Land der Stammesbrüder,
Schloß auch Abdullah die verweinten Augen,
Und schlummerte hinüber nach der Heimat,
Wo kein Ximenes, keine Isabella.
HASSAN.
Und gibt es in Arabien keine Örter,
Wo man den toten Vater kann beweinen?
ALMANSOR.
Oh, kenntest du die Qual des Ruhelosen,
Den unsichtbare Flammengeißeln treiben!
Noch einmal wollt ich küssen Spaniens Boden –
HASSAN.
Und bei Gelegenheit Zuleimas Lippen.
ALMANSOR
ernst.
Des Vaters Diener ist nicht Herr des Sohnes;
Drum, bittrer Hassan, laß dein bittres Deuteln.
Ja, ich bekenn es, nach Zuleima schmacht ich,
Wie nach dem Morgentau der Sand der Wüste.
Noch diese Nacht geh ich nach Alys Schloß.
HASSAN.
Geh nicht nach Alys Schloß! Pestörtern gleich
Flieh jenes Haus, wo neuer Glaube keimt.
Dort zieht man dir, mit süßen Zangentönen,
Aus tiefer Brust hervor das alte Herz,
Und legt dir eine Schlang’ dafür hinein.
Dort gießt man dir Bleitropfen, hell und heiß,
Aufs arme Haupt, daß nimmermehr dein Hirn
Gesunden kann vom wilden Wahnsinnschmerz.
Dorten vertauscht man dir den alten Namen,
Und gibt dir einen neu’n; damit dein Engel,
Wenn er dich warnend ruft beim alten Namen,
Vergeblich rufe. Oh, betörtes
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