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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Kind,
    Geh nicht nach Alys Schloß; – du bist verloren,
    Wenn man in dir Almansorn wiedersieht!
    ALMANSOR.
    Besorge nichts; denn niemand kennt mich mehr.
    Mein Antlitz trägt des Grames tiefe Furchen,
    Getrübt von salz’gen Tränen ist mein Aug’,
    Nachtwandlerartig ist mein schwanker Gang,
    Gebrochen, wie mein Herz, ist meine Stimme –
    Wer sucht in mir den blühenden Almansor?
    Ja, Hassan, ja, ich liebe Alys Tochter!
    Nur einmal noch will ich sie schaun, die Holde!
    Und hab ich mich noch einmal süß berauscht
    Im Anblick ihrer lieblichen Gestalt,
    In ihre Augen meine Seel’ getaucht,
    Und schwelgend eingehaucht den süßen Odem: –
    Dann geh ich wieder nach Arabiens Wüste,
    Und setze mich auf jenen steilen Felsen,
    Wo Mödschnun saß und Leilas Namen seufzte! –
    Drum sei nur ohne Sorge, alter Hassan,
    Im span’schen Mantel geh ich, unbemerkt
    Und unerkannt, im ganzen Schloß herum,
    Und meine Bundgenossin ist die Nacht.
    HASSAN.
    Trau nicht der Nacht, sie birgt im schwarzen Mantel
    Viel arge Fratzenbilder, Molch’ und Schlangen,
    Und wirft sie heimlich hin vor deine Füße.
    Trau ihrem bleichen Buhlen nicht, der droben
    Liebäugelnd aus den Wolken niederblinzelt,
    Und hämisch bald, mit schrägen, fahlen Lichtern,
    Die Schreckgestalten deines Wegs beflimmert.
    Trau nimmer ihrer Bastardbrut dort oben,
    Den goldnen Kindlein, die so munter funkeln,
    Und freundlich tun, und liebeschmeichelnd nicken,
    Und dennoch, wie mit tausend glühnden Fingern,
    Am Ende spöttisch auf dich niederdeuten.
    Geh nicht nach Alys Schloß! Am Eingang sitzen
    Drei dunkle Fraun und harren deiner Rückkehr,
    Um würgend dich mit Inbrunst zu umarmen,
    Im Liebeskuß dein Herzblut auszusaugen!
    ALMANSOR.
    Wirf hemmend dich in eines Mühlrads Speichen,
    Dräng mit der Brust zurück des Stromes Flut,
    Halt mit den Armen auf des Bergquells Sturz –
    Doch halte mich nicht ab von Alys Schloß.
    Dort zieht’s mich hin mit tausend Demantfäden,
    Die sich verwebt in meines Hirnes Adern
    Und in den Fasern meines Herzens; – Hassan,
    Schlaf wohl! mein altes Schwert ist mein Begleiter.
    HASSAN.
    Und deine Leuchte sei dein alter Glaube.
Alys Schloß
    Erleuchtetes Kabinett mit einer grollen Mitteltüre.
    Man hört Tanzmusik. Don Enrique liegt zu Zuleimas Füßen.
    DON ENRIQUE
pathetisch.
    Ein Zaberduft betäubet meine Sinne,
    Und schauernd weiß ich nicht, was ich beginne!
    Anbetend sink ich hin zu deinen Füßen,
    Um dich als heil’ge Jungfrau zu begrüßen!
    Du bist des Himmels Strahlenkuniginne,
    Der ich nicht nahen darf mit ird’scher Minne!
    Und wenn auch Hymens Bande uns umschließen –
    Ich lieg als Knecht dir immerdar zu Füßen!
    Die Musik hat aufgehört. Don Diego ist während dieser Apostrophe hereingeschlichen und hat beide Flügel der Mitteltüre geöffnet. Man sieht einen prächtigen, menschenvollen Ballsaal. Die tanzenden Paare bleiben stehen und schauen freudig nach Don Enrique und Zuleima. Einige Stimmen rufen.
    Heil! Heil! Heil! unserm schönen Brautpaar!
    Trompetentusch. Don Enrique steht auf. Don Diego schleicht sich wieder fort. Die Mitteltüre bleibt offenstehen.
    ZULEIMA
ernst.
    Führt mich zum Saal!
    DON ENRIQUE
reicht ihr den Arm; verwirrt.
    Señora, mein Bedienter,
    Der Schalk, hat dies getan.
    ZULEIMA.
    Gut, Señor, gut.
    Aly und ein Ritter treten in der Türe den Vorigen entgegen.
    ALY
er faßt Don Enrique beim Arm.
    Nein, liebe Clara, laß mir deinen Bräut’gam;
    Hier Don Rodrigo führet dich zum Saal.
    Zuleima, vom Ritter geführt, geht ab. Die Mitteltüre schließt sich.
    DON ENRIQUE.
    Ich wundre mich –
    ALY
ernst.
    Erinnert Ihr Euch nicht,
    Daß ich noch ein Geheimnis für Euch habe,
    Das ich versprach, noch vor dem Hochzeitstag
    Euch mitzuteilen, Señor?
    DON ENRIQUE
neugierig und schmeichelnd.
    Ach, ihr habt
    So vieles schon für mich getan –
    ALY.
    Ich nichts,
    Nur, nur von Doña Clara hing es ab,
    Ob sie die Hand Euch reichen wollt.
    DON ENRIQUE.
    Nein, Señor,
    Nur Eure Stimme, die des Vaters, galt.
    ALY.
    Wohl hatt ich Gründe, Claras Hand Euch nicht
    Zu geben. Doch ich hatte nicht das Recht.
    Denn wisset: Claras Vater bin ich nicht.
    DON ENRIQUE
kleinlaut.
    Ihr Vater nicht?
    ALY
lächelnd.
    Seid ohne Sorge, Señor.
    Urkundlich und durch Testamentes Kraft
    Hab ich sie anerkannt als eigne Tochter.
    Jetzt, Señor, seht Ihr wohl, warum nur Clara
    Verfügen konnte über ihre Hand.
    Doch merkt’s Euch, niemand hier, sie selber nicht,
    Kennt dies Geheimnis.
    DON ENRIQUE.
    Señor, staunen muß ich

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