Sämtliche Werke
hinein, und hat
Sich fast die eignen Augen ausgeguckt –
Und singen konnt sie wie die Nachtigall;
Und wenn sie an dem Herde saß und sang:
Sie singt.
»Was ist von Blut dein Schwert so rot, Edward? Edward?«
So blieb die Köchin stillstehn, und der Braten
Verbrannte jedesmal – Ach Gott! ich wollte,
Ich hätt ihr nie das böse Lied gelehrt. –
Sie weint.
MARIA.
Oh, liebe Margarete, o erzähl mir das.
MARGARETE.
Schön-Betty, deine Mutter, saß allein
Und sang: –
Sie singt.
»Wie ist von Blut dein Schwert so rot,
Edward? Edward?« –
Da sprang ins Zimmer plötzlich Edward Ratcliff,
Und sang im selben Tone trotzig weiter: –
Sie singt.
»Ich habe geschlagen mein Liebchen tot –
Mein Liebchen war so schön, oh!«
Da hat Schön-Betty sich so sehr entsetzt,
Daß sie den armen, wilden Edward nimmer
Wollt wiedersehn; und um ihn noch zu ärgern,
Heiratete sie deinen Vater. Edward Ratcliff,
Der wurde toll vor Wut, und um zu zeigen,
Daß er Schön-Betty leicht entbehren könne,
Nahm er zur Frau, ganz aus Verzweiflungstrotz,
Lord Campbels Jenny, und der William Ratcliff,
Das ist der Sohn aus dieser tollen Ehe.
MARIA.
Die arme Mutter!
MARGARETE.
Ei, Schön-Betty war
Ein eigensinnig Ding. Ein ganzes Jahr lang
Hat sie den Namen Ratcliff nie genannt.
Doch wie zum zweitenmal Oktober kam –
Ich glaub, es war just Ratcliffs Namenstag –,
Da frug sie, wie von ungefähr: »Margarete,
Hast du von Edward nichts gehört?« – »Oh«, sagt ich,
»Der hat die Jenny Campbel sich zur Frau
Genommen.« – »Campbels Jenny?« rief Schön-Betty,
Und wurde blaß und rot, und bitterlich
Fing sie zu weinen an – dich hielt ich just
Im Schoß, Marie, drei Monat’ warst du alt –
Und du fingst auch zu weinen an – und ich,
Um nur Schön-Bettys Tränen fortzuschwatzen,
Erzählte ihr: der Edward könne doch nicht
Ablassen von Schön-Betty, Tag und Nacht
Säh man ihn schleichen hier ums Schloß, man sähe,
Wie er die Arme nach Schön-Bettys Fenster
Sehnsüchtig ausstreckt. – »Oh, das wußt ich längst!«
Rief jetzt Schön-Betty lachend; hastig flog sie
Ans Fenster, streckte aus die Arm’ nach Edward –
Oh, das war schlimm, Mac-Gregor sah das just,
Dein eifersücht’ger Vater –
Hält erschrocken ein.
MARIA.
Nun, und da? Erzähl doch weiter.
MARGARETE.
Nun, und da ist’s aus.
MARIA.
Erzähl doch weiter.
MARGARETE
ängstlich.
Nun, am andern Morgen
Lag, bei der alten Schloßmau’r, tot und blutig
Der Edward Ratcliff –
MARIA.
Und die arme Mutter?
MARGARETE.
Je nun, die starb, vor Schreck, drei Tage drauf.
MARIA.
O das ist gräßlich!
MARGARETE
im kalten, höhnischen Wahnsinntone.
Hättest du erst selbst
Gesehn mit deinen kleinen Augen, Püppchen,
Wie an der Schloßmau’r Edward Ratcliff lag –
Hu, hu, das blut’ge Bild klebt mir im Kopf!
Und weil ich weiß, wer ihn erschlagen hat,
Und weil ich das niemanden sagen darf,
Und weil ich toll bin – hu! kann ich nicht schlafen,
Und überall seh ich den Edward Ratcliff,
Den bleichen, blutigen, mit seinen starren,
Dolchspitzen Augen, mit dem Zeigefinger
Gespenstisch aufgehoben, langsam schreitend –
William Ratcliff, bleich, verstört und blutig, tritt herein.
Die Vorigen.
MARGARETE
wild aufschreiend.
Jesus Marie, der tote Edward Ratcliff!
Sie kauert nieder in einer Ecke des Zimmers und bleibt dort starr und regungslos sitzen.
MARIA
aufschreiend.
Entsetzlicher! Bringst du mir Douglas’ Ring?
RATCLIFF
bitter lachend.
Das Karussell, das Ringestechen, ist
Jetzt aus. Zwei Ringe stach ich, doch der dritte
Wollt sich nicht stechen lassen, und ich stürzte
Hinunter von dem Holzpferd.
MARIA
plötzlich im vertraulich ängstlichen Tone.
William! William!
Du blutest ja. Komm her, ich will die Wunde
Verbinden. –
Sie zerreißt ihren weißen Hochzeitschleier. –
Gott! Wo bin ich? Böser William –
Nein, du bist Edward, ich, ich bin Schön-Betty –
Dein armer Kopf ist blutig, und der mein’ge
Ist so verwirrt – Ich weiß nicht, was ich tu –
Komm her; wenn du mich liebhast, kniee nieder –
Sie will ihm die Kopfwunde verbinden.
RATCLIFF
stürzt zu ihren Füßen. Schmerzhaft zärtlich.
Neckt mich ein Traum? Ich liege vor Marien?
Liege zu ihren Füßen? Kleine Füße,
Seid ihr nicht Nebel, die der Wahnsinn bildet,
Und die zerrinnen, wenn ich sie umfasse?
MARIA
beschwichtigend und ihm den Kopf mit dem Schleier verbindend.
Bleib ruhig. An den goldnen, hübschen Locken
Klebt Blut.
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