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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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und Leib und Seele jetzt der Hölle gehöre. Vergebens macht Faust allerlei Einwendungen, vergebens legt er sich zuletzt aufs Jammern und Bitten – das Teufelsweib umtänzelt ihn mit allen Grimassen der Verhöhnung. Es öffnet sich der Boden, und es treten hervor die greuelhaften Höllenfürsten, die gekrönten und zeptertragenden Ungetüme. In jubelnder Ronde verspotten sie ebenfalls den armen Doktor, den Mephistophela, die endlich sich in eine gräßliche Schlange verwandelt hat, mit wilder Umschlingung erdrosselt. Die ganze Gruppe versinkt unter Flammengeprassel in die Erde, während das Glockengeläute und die Orgelklänge, die vom Dome her ertönen, zu frommen, christlichen Gebeten auffordern.
Erläuterungen
    To
    Lumley, Esquire,
    Director
    of the Theatre of Her Majesty the Queen
    Dear Sir!
    Eine leicht begreifliche Zagnis überfiel mich, als ich bedachte, daß ich zu meinem Ballette einen Stoff gewählt, den bereits unser großer Wolfgang Goethe, und gar in seinem größten Meisterwerke, behandelt hat. Wäre es aber schon gefährlich genug, bei gleichen Mitteln der Darstellung mit einem solchen Dichter zu wetteifern, wieviel halsbrechender müßte das Unternehmen sein, wenn man mit ungleichen Waffen in die Schranken treten wollte! In der Tat, Wolfgang Goethe hatte, um seine Gedanken auszusprechen, das ganze Arsenal der redenden Künste zu seiner Verfügung, er gebot über alle Truhen des deutschen Sprachschatzes, der so reich ist an ausgeprägten Denkworten des Tiefsinns und uralten Naturlauten der Gemütswelt, Zaubersprüche, die, im Leben längst verhallt, gleichsam als Echo in den Reimen des Goetheschen Gedichtes widerklingen und des Lesers Phantasie so wunderbar aufregen! Wie kümmerlich dagegen sind die Mittel, womit ich Ärmster ausgerüstet bin, um das, was ich denke und fühle, zur äußern Erscheinung zu bringen! Ich wirke nur durch ein magres Libretto, worin ich in aller Kürze andeute, wie Tänzer und Tänzerinnen sich gehaben und gebärden sollen und wie ich mir dabei die Musik und die Dekorationen ungefähr denke. Und dennoch hab ich es gewagt, einen »Doktor Faustus« zu dichten in der Form eines Balletts, rivalisierend mit dem großen Wolfgang Goethe, der mir sogar die Jugendfrische des Stoffes vorweggenommen und zur Bearbeitung desselben sein langes blühendes Götterleben anwenden konnte – während mir, dem bekümmerten Kranken, von Ihnen, verehrter Freund, nur ein Termin von vier Wochen gestellt ward, binnen welchen ich Ihnen mein Werk liefern mußte.
    Die Grenzen meiner Darstellungsmittel konnte ich leider nicht überschreiten, aber innerhalb derselben habe ich geleistet, was ein braver Mann zu leisten vermag, und ich habe wenigstens einem Verdienste nachgestrebt, dessen sich Goethe keineswegs rühmen darf: in seinem Faustgedichte nämlich vermissen wir durchgängig das treue Festhalten an der wirklichen Sage, die Ehrfurcht vor ihrem wahrhaftigen Geiste, die Pietät für ihre innere Seele, eine Pietät, die der Skeptiker des achtzehnten Jahrhunderts (und ein solcher blieb Goethe bis an sein seliges Ende) weder empfinden noch begreifen konnte! Er hat sich in dieser Beziehung einer Willkür schuldig gemacht, die auch ästhetisch verdammenswert war und die sich zuletzt an dem Dichter selbst gerächt hat. Ja, die Mängel seines Gedichts entsprangen aus dieser Versündigung, denn indem er von der frommen Symmetrie abwich, womit die Sage im deutschen Volksbewußtsein lebte, konnte er das Werk nach dem neu ersonnenen ungläubigen Bauriß nie ganz ausführen, es ward nie fertig, wenn man nicht etwa jenen lendenlahmen zweiten Teil des »Faustes«, welcher vierzig Jahre später erschien, als die Vollendung des ganzen Poems betrachten will. In diesem zweiten Teile befreit Goethe den Nekromanten aus den Krallen des Teufels, er schickt ihn nicht zur Hölle, sondern läßt ihn triumphierend einziehen ins Himmelreich, unter dem Geleite tanzender Englein, katholischer Amoretten, und das schauerliche Teufelsbündnis, das unsern Vätern soviel haarsträubendes Entsetzen einflößte, endigt wie eine frivole Farce – ich hätte fast gesagt wie ein Ballett.
    Mein Ballett enthält das Wesentlichste der alten Sage vom Doktor Faustus, und indem ich ihre Hauptmomente zu einem dramatischen Ganzen verknüpfte, hielt ich mich auch in den Details ganz gewissenhaft an den vorhandenen Traditionen, wie ich sie zunächst vorfand in den Volksbüchern, die bei uns auf den Märkten verkauft werden, und in den Puppenspielen,

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