Sämtliche Werke
die ich in meiner Kindheit tragieren sah.
Die Volksbücher, die ich hier erwähne, sind keineswegs gleichlautend. Die meisten sind willkürlich zusammengestoppelt aus zwei ältern großen Werken über Faust, die, nebst den sogenannten »Höllenzwängen«, als die Hauptquellen für die Sage zu betrachten sind. Diese Bücher sind in solcher Beziehung zu wichtig, als daß ich Ihnen nicht genauere Auskunft darüber geben müßte. Das älteste dieser Bücher über Faust ist 1587 zu Frankfurt erschienen bei Johann Spieß, der es nicht bloß gedruckt, sondern abgefaßt zu haben scheint, obgleich er in einer Zueignung an seine Gönner sagt, daß er das Manuskript von einem Freunde aus Speier erhalten. Dieses alte Frankfurter Faustbuch ist weit poetischer, weit tiefsinniger und weit symbolischer abgefaßt als das andere Faustbuch, welches Georg Rudolf Widmann geschrieben und 1599 zu Hamburg herausgegeben. Letzteres jedoch gelangte zu größerer Verbreitung, vielleicht weil es mit homiletischen Betrachtungen durchwässert und mit gravitätischen Gelehrsamkeiten gespickt ist. Das bessere Buch ward dadurch verdrängt und versank schier in Vergessenheit. Beiden Büchern liegt die wohlgemeinteste Verwarnung gegen Teufelsbündnisse, ein frommer Zweck, zum Grunde. Die dritte Hauptquelle der Faustsage, die sogenannten »Höllenzwänge«, sind Geisterbeschwörungsbücher, die zum Teil in lateinischer, zum Teil in deutscher Sprache abgefaßt und dem Doktor Faust selbst zugeschrieben sind. Sie sind sehr wunderlich voneinander abweichend und kursieren auch unter verschiedenen Titeln. Der famoseste der »Höllenzwänge« ist »Der Meergeist« genannt; seinen Namen flüsterte man nur mit Zittern, und das Manuskript lag in den Klosterbibliotheken mit einer eisernen Kette angeschlossen. Dieses Buch ward jedoch durch frevelhafte Indiskretion im Jahr 1692 zu Amsterdam bei Holbek in dem Kohlsteg gedruckt.
Die Volksbücher, welche aus den angegebenen Quellen entstanden sind, benutzten auch mitunter ein ebenso merkwürdiges Opus über Doktor Fausts zauberkundigen Famulus, der Christoph Wagner geheißen und dessen Abenteuer und Schwänke nicht selten seinem berühmten Lehrer zugeschrieben werden. Der Verfasser, der sein Werk 1594, angeblich nach einem spanischen Originale, herausgab, nennt sich Tolet Schotus. Wenn es wirklich aus dem Spanischen übersetzt, was ich aber bezweifle, so ist hier eine Spur, woraus sich die merkwürdige Übereinstimmung der Faustsage mit der Sage vom Don Juan ermitteln ließe.
Hat es in der Wirklichkeit jemals einen Faust gegeben? Wie manchen andern Wundertäter hat man auch den Faust für einen bloßen Mythos erklärt. Ja, es ging ihm gewissermaßen noch schlimmer: die Polen, die unglücklichen Polen, haben ihn als ihren Landsmann reklamiert, und sie behaupten, er sei noch heutigentages bei ihnen bekannt unter dem Namen Twardowski. Es ist wahr, nach frühesten Nachrichten über Faust hat derselbe auf der Universität zu Krakau die Zauberkunst studiert, wo sie öffentlich gelehrt ward, als freie Wissenschaft, was sehr merkwürdig; es ist auch wahr, daß die Polen damals große Hexenmeister gewesen, was sie heutzutage nicht sind; aber unser Doktor Johannes Faustus ist eine so grundehrliche, wahrheitliche, tiefsinnig naive, nach dem Wesen der Dinge lechzende und selbst in der Sinnlichkeit so gelehrte Natur, daß er nur eine Fabel oder ein Deutscher sein konnte. Es ist aber an seiner Existenz gar nicht zu zweifeln, die glaubwürdigsten Personen geben davon Kunde, z.B. Johannes Wierus, der das berühmte Buch über das Hexenwesen geschrieben, dann Philipp Melanchthon, der Waffenbruder Luthers, sowie auch der Abt Tritheim, ein großer Gelehrter, welcher ebenfalls mit Geheimnissen sich abgab und daher, beiläufig gesagt, vielleicht aus Handwerksneid den Faust herabzuwürdigen und ihn als einen unwissenden Marktschreier darzustellen suchte. Nach den eben erwähnten Zeugnissen von Wierus und Melanchthon war Faust gebürtig aus Kundlingen, einem kleinen Städtchen in Schwaben. Beiläufig muß ich hier bemerken, daß die obenerwähnten Hauptbücher über Faust voneinander abweichen in der Angabe seines Geburtsorts. Nach der älteren Frankfurter Version ist er als eines Bauern Sohn zu Rod bei Weimar geboren. In der Hamburger Version von Widmann heißt es hingegen: »Faustus ist gebürtig gewesen aus der Grafschaft Anhalt, und haben seine Ältern gewohnt in der Mark Soltwedel, die waren fromme Bauersleute.«
In einer Denkschrift
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