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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Reitkunststücke verrichten, angestaunt von den versammelten Roßkämmen, die mit hannöverisch roten Gesichtern im Kreise umherstanden und vor Entzücken auf ihre gelbledernen Hosen schlugen, daß es klatschte, wie ich noch nie bei einer dramatischen Vorstellung klatschen hörte. Astaroth ritt aber wirklich allerliebst und war ein schlankes, hübsches Mädchen mit den größten, schwarzen Augen der Hölle. Auch Faust war ein schmucker Bursche in seinem brillanten Reiterkostüme, und er ritt besser als alle anderen deutschen Doktoren, die ich jemals zu Pferde gesehen. Er jagte mit Astaroth um die Schaubühne herum, wo man jetzt die Stadt Troja und auf den Zinnen derselben die schöne Helena erblickte.
    Unendlich bedeutungsvoll ist die Erscheinung der schönen Helena in der Sage vom Doktor Faust. Sie charakterisiert zunächst die Epoche, in welcher dieselbe entstanden, und gibt uns wohl den geheimsten Aufschluß über die Sage selbst. Jenes ewig blühende Ideal von Anmut und Schönheit, jene Helena von Griechenland, die eines Morgens zu Wittenberg als Frau Doktorin Faust ihre Aufwartung macht, ist eben Griechenland und das Hellenentum selbst, welches plötzlich im Herzen Deutschlands emportaucht, wie beschworen durch Zaubersprüche. Das magische Buch aber, welches die stärksten jener Zaubersprüche enthielt, hieß Homeros, und dieses war der wahre, große Höllenzwang, welcher den Faust und so viele seiner Zeitgenossen köderte und verführte. Faust, sowohl der historische als der sagenhafte, war einer jener Humanisten, welche das Griechentum, griechische Wissenschaft und Kunst, in Deutschland mit Enthusiasmus verbreiteten. Der Sitz jener Propaganda war damals Rom, wo die vornehmsten Prälaten dem Kultus der alten Götter anhingen und sogar der Papst, wie einst sein Reichsvorgänger Constantinus, das Amt eines Pontifex maximus des Heidentums mit der Würde eines Oberhauptes der christlichen Kirche kumulierte. Es war die sogenannte Zeit der Wiederauferstehung oder, besser gesagt, der Wiedergeburt der antiken Weltanschauung, wie sie auch ganz richtig mit dem Namen Renaissance bezeichnet wird. In Italien konnte sie leichter zur Blüte und Herrschaft gelangen als in Deutschland, wo ihr durch die gleichzeitige neue Bibelübersetzung auch die Wiedergeburt des judäischen Geistes, die wir die evangelische Renaissance nennen möchten, so bilderstürmend fanatisch entgegentrat. Sonderbar! die beiden großen Bücher der Menschheit, die sich vor einem Jahrtausend so feindlich befehdet und wie kampfmüde während dem ganzen Mittelalter vom Schauplatz zurückgezogen hatten, der Homer und die Bibel, treten zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts wieder öffentlich in die Schranken. Wenn ich oben aussprach, daß die Revolte der realistischen, sensualistischen Lebenslust gegen die spiritualistisch altkatholische Askese die eigentliche Idee der Faustsage ist, so will ich hier darauf hindeuten, wie jene sensualistische, realistische Lebenslust selbst im Gemüte der Denker zunächst dadurch entstanden ist, daß dieselben plötzlich mit den Denkmalen griechischer Kunst und Wissenschaft bekannt wurden, daß sie den Homer lasen sowie auch die Originalwerke von Plato und Aristoteles. In diese beiden hat Faust, wie die Tradition ausdrücklich erzählt, sich so sehr vertieft, daß er sich einst vermaß: gingen jene Werke verloren, so würde er sie aus dem Gedächtnisse wiederherstellen können, wie weiland Esra mit dem Alten Testamente getan. Wie tief Faust in den Homer eingedrungen, merken wir durch die Sage, daß er den Studenten, die bei ihm ein Kollegium über diesen Dichter hörten, die Helden des Trojanischen Krieges in Person vorzuzaubern wußte. In derselben Weise beschwor er ein andermal, zur Unterhaltung seiner Gäste, ebendie schöne Helena, die er später für sich selber vom Teufel begehrte und bis zu seinem unseligen Ende besaß, wie das ältere Faustbuch berichtet. Das Buch von Widmann übergeht diese Geschichten, und der Verfasser äußert sich mit den Worten:
    »Ich mag dem christlichen Leser nicht fürenthalten, daß ich an diesem Orte etliche Historien von D. Johanne Fausto gefunden, welche ich aus hochbedenklichen christlichen Ursachen nicht habe hierher setzen wollen, als daß ihn der Teufel noch fortan vom Ehestand abgehalten und in sein höllisches, abscheuliches Hurennetz gejagt, ihm auch Helenam aus der Hölle zur Beischläferin zugeordnet hat, die ihm auch fürs erste ein erschreckliches Monstrum und darnach einen

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