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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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fast zerdrückt.
    25.
    Sag mir, wer einst die Uhren erfund,
    Die Zeitabteilung, Minute und Stund’?
    Das war ein frierend trauriger Mann.
    Er saß in der Winternacht und sann,
    Und zählte der Mäuschen heimliches Quicken
    Und des Holzwurms ebenmäßiges Picken.
    Sag mir, wer einst das Küssen erfund?
    Das war ein glühend glücklicher Mund;
    Er küßte und dachte nichts dabei.
    Es war im schönen Monat Mai,
    Die Blumen sind aus der Erde gesprungen,
    Die Sonne lachte, die Vögel sungen.
    26.
    Wie die Nelken duftig atmen!
    Wie die Sterne, ein Gewimmel
    Goldner Bienen, ängstlich schimmern
    An dem veilchenblauen Himmel!
    Aus dem Dunkel der Kastanien
    Glänzt das Landhaus, weiß und lüstern,
    Und ich hör die Glastür klirren
    Und die liebe Stimme flüstern.
    Holdes Zittern, süßes Beben,
    Furchtsam zärtliches Umschlingen –
    Und die jungen Rosen lauschen,
    Und die Nachtigallen singen.
    27.
    Hab ich nicht dieselben Träume
    Schon geträumt von diesem Glücke?
    Waren’s nicht dieselben Bäume,
    Blumen, Küsse, Liebesblicke?
    Schien der Mond nicht durch die Blätter
    Unsrer Laube hier am Bache?
    Hielten nicht die Marmorgötter
    Vor dem Eingang stille Wache?
    Ach! ich weiß, wie sich verändern
    Diese allzuholden Träume,
    Wie mit kalten Schneegewändern
    Sich umhüllen Herz und Bäume;
    Wie wir selber dann erkühlen
    Und uns fliehen und vergessen,
    Wir, die jetzt so zärtlich fühlen,
    Herz an Herz so zärtlich pressen.
    28.
    Küsse, die man stiehlt im Dunkeln
    Und im Dunkeln wiedergibt,
    Solche Küsse, wie besel’gen
    Sie die Seele, wenn sie liebt!
    Ahnend und erinnrungsüchtig
    Denkt die Seele sich dabei
    Manches von vergangnen Tagen,
    Und von Zukunft mancherlei.
    Doch das gar zu viele Denken
    Ist bedenklich, wenn man küßt; –
    Weine lieber, liebe Seele,
    Weil das Weinen leichter ist.
    29.
    Es war ein alter König,
    Sein Herz war schwer, sein Haupt war grau;
    Der arme alte König,
    Er nahm eine junge Frau.
    Es war ein schöner Page,
    Blond war sein Haupt, leicht war sein Sinn;
    Er trug die seidne Schleppe
    Der jungen Königin.
    Kennst du das alte Liedchen?
    Es klingt so süß, es klingt so trüb!
    Sie mußten beide sterben,
    Sie hatten sich viel zu lieb.
    30.
    In meiner Erinnrung erblühen
    Die Bilder, die längst verwittert –
    Was ist in deiner Stimme,
    Das mich so tief erschüttert?
    Sag nicht, daß du mich liebst!
    Ich weiß, das Schönste auf Erden,
    Der Frühling und die Liebe,
    Es muß zuschanden werden.
    Sag nicht, daß du mich liebst!
    Und küsse nur und schweige,
    Und lächle, wenn ich dir morgen
    Die welken Rosen zeige.
    31.
    »Mondscheintrunkne Lindenblüten,
    Sie ergießen ihre Düfte,
    Und von Nachtigallenliedern
    Sind erfüllet Laub und Lüfte.
    Lieblich läßt es sich, Geliebter,
    Unter dieser Linde sitzen,
    Wenn die goldnen Mondeslichter
    Durch des Baumes Blätter blitzen.
    Sieh dies Lindenblatt! du wirst es
    Wie ein Herz gestaltet finden;
    Darum sitzen die Verliebten
    Auch am liebsten unter Linden.
    Doch du lächelst; wie verloren
    In entfernten Sehnsuchtträumen –
    Sprich, Geliebter, welche Wünsche
    Dir im lieben Herzen keimen?«
    Ach, ich will es dir, Geliebte,
    Gern bekennen, ach, ich möchte,
    Daß ein kalter Nordwind plötzlich
    Weißes Schneegestöber brächte;
    Und daß wir, mit Pelz bedecket
    Und im buntgeschmückten Schlitten,
    Schellenklingelnd, peitschenknallend,
    Über Fluß und Fluren glitten.
    32.
    Durch den Wald, im Mondenscheine,
    Sah ich jüngst die Elfen reuten;
    Ihre Hörner hört ich klingen,
    Ihre Glöckchen hört ich läuten.
    Ihre weißen Rößlein trugen
    Güldnes Hirschgeweih und flogen
    Rasch dahin, wie wilde Schwäne
    Kam es durch die Luft gezogen.
    Lächelnd nickte mir die Kön’gin,
    Lächelnd, im Vorüberreuten.
    Galt das meiner neuen Liebe,
    Oder soll es Tod bedeuten?
    33.
    Morgens send ich dir die Veilchen,
    Die ich früh im Wald gefunden,
    Und des Abends bring ich Rosen,
    Die ich brach in Dämmrungstunden.
    Weißt du, was die hübschen Blumen
    Dir Verblümtes sagen möchten?
    Treu sein sollst du mir am Tage
    Und mich lieben in den Nächten.
    34.
    Der Brief, den du geschrieben,
    Er macht mich gar nicht bang;
    Du willst mich nicht mehr lieben,
    Aber dein Brief ist lang.
    Zwölf Seiten, eng und zierlich!
    Ein kleines Manuskript!
    Man schreibt nicht so ausführlich,
    Wenn man den Abschied gibt.
    35.
    Sorge nie, daß ich verrate
    Meine Liebe vor der Welt,
    Wenn mein Mund ob deiner Schönheit
    Von Metaphern überquellt.
    Unter einem Wald von Blumen
    Liegt, in

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