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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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soll dies Reskript ihm
    Bringen Unsrer Gnade Kunde.
    So geschehn den dritten Jänner
    Dreizehnhundertzwanzigsechs
    Vor Christi Geburt. – Signieret
    Von Uns: Rhampsenitus Rex.«
    Rhampsenit hat Wort gehalten,
    Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,
    Und nach seinem Tode erbte
    Auch der Dieb Ägyptens Krone.
    Er regierte wie die andern,
    Schützte Handel und Talente;
    Wenig, heißt es, ward gestohlen
    Unter seinem Regimente.
    Der weiße Elefant
    Der König von Siam, Mahawasant,
    Beherrscht das halbe Indienland,
    Zwölf Kön’ge, der große Mogul sogar,
    Sind seinem Zepter tributar.
    Alljährlich mit Trommeln, Posaunen und Fahnen
    Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;
    Viel tausend Kamele, hochberuckte,
    Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.
    Sieht er die schwerbepackten Kamele,
    So schmunzelt heimlich des Königs Seele;
    Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,
    Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.
    Doch diese Schatzkammern sind so weit,
    So groß und voller Herrlichkeit;
    Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht
    Die Märchen von Tausendundeine Nacht.
    »Die Burg des Indra« heißt die Halle,
    Wo aufgestellt die Götter alle,
    Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,
    Mit Edelsteinen inkrustieret.
    Sind an der Zahl wohl dreißigtausend,
    Figuren abenteuerlich grausend,
    Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,
    Mit vielen Händen und vielen Köpfen.
    Im »Purpursaale« sieht man verwundert
    Korallenbäume dreizehnhundert,
    Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,
    Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.
    Das Estrich ist vom reinsten Kristalle
    Und widerspiegelt die Bäume alle.
    Fasanen vom buntesten Glanzgefieder
    Gehn gravitätisch dort auf und nieder.
    Der Lieblingsaffe des Mahawasant
    Trägt an dem Hals ein seidenes Band,
    Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt
    Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.
    Die Edelsteine vom höchsten Wert,
    Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd’
    Hochaufgeschüttet; man findet dabei
    Diamanten so groß wie ein Hühnerei.
    Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken
    Pflegt hier der König sich hinzustrecken;
    Der Affe legt sich zum Monarchen,
    Und beide schlafen ein und schnarchen.
    Das Kostbarste aber von allen Schätzen
    Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,
    Die Lust und der Stolz von Mahawasant,
    Das ist sein weißer Elefant.
    Als Wohnung für diesen erhabenen Gast
    Ließ bauen der König den schönsten Palast;
    Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,
    Von lotosknäufigen Säulen getragen.
    Am Tore stehen dreihundert Trabanten
    Als Ehrenwache des Elefanten,
    Und kniend, mit gekrümmtem Rucken,
    Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.
    Man bringt auf einer güldnen Schüssel
    Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;
    Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
    Gewürzt mit den süßesten Spezerein.
    Man salbt ihn mir Ambra und Rosenessenzen,
    Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;
    Als Fußdecke dienen dem edlen Tier
    Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.
    Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,
    Doch niemand auf Erden ist zufrieden.
    Das edle Tier, man weiß nicht wie,
    Versinkt in tiefe Melancholie.
    Der weiße Melancholikus
    Steht traurig mitten im Überfluß.
    Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
    Jedoch die klügsten Versuche scheitern.
    Vergebens kommen mit Springen und Singen
    Die Bajaderen; vergebens erklingen
    Die Zinken und Pauken der Musikanten,
    Doch nichts erlustigt den Elefanten.
    Da täglich sich der Zustand verschlimmert,
    Wird Mahawasantes Herz bekümmert;
    Er läßt vor seines Thrones Stufen
    Den klügsten Astrologen rufen.
    »Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen«,
    Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,
    Was meinem Elefanten fehle,
    Warum so verdüstert seine Seele?«
    Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,
    Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:
    »O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,
    Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.
    Es lebt im Norden ein schönes Weib
    Von hohem Wuchs und weißem Leib,
    Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,
    Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.
    Mit ihr verglichen, erscheint er nur
    Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur
    An Bimha, die Riesin, im ›Ramayana‹,
    Und an der Epheser große Diana.
    Wie sich die Gliedermassen wölben
    Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben
    Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster
    Von blendend weißem Alabaster.
    Das ist Gott Amors kolossale
    Domkirche, der Liebe Kathedrale;
    Als Lampe brennt im

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