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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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Rabenschar;
    Die Mönche hinter ihr keuchen.
    Sie suchte schon den ganzen Tag,
    Es ward schon Abend – plötzlich
    Bricht aus der Brust des armen Weibs
    Ein geller Schrei, entsetzlich.
    Gefunden hat Edith Schwanenhals
    Des toten Königs Leiche.
    Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,
    Sie küßte das Antlitz, das bleiche.
    Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,
    Sie hielt ihn fest umschlossen;
    Sie küßte auf des Königs Brust
    Die Wunde blutumflossen.
    Auf seiner Schulter erblickt sie auch –
    Und sie bedeckt sie mit Küssen –
    Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,
    Die sie einst hineingebissen.
    Die Mönche konnten mittlerweil’
    Baumstämme zusammenfugen;
    Das war die Bahre, worauf sie alsdann
    Den toten König trugen.
    Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,
    Daß man ihn dort begrübe;
    Es folgte Edith Schwanenhals
    Der Leiche ihrer Liebe.
    Sie sang die Totenlitanei’n
    In kindisch frommer Weise;
    Das klang so schauerlich in der Nacht –
    Die Mönche beteten leise. –
    Carl I.
    Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt
    Trübsinnig allein der König;
    Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds
    Und wiegt und singt eintönig:
    »Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Es blöken im Stalle die Schafe –
    Du trägst das Zeichen an der Stirn
    Und lächelst so furchtbar im Schlafe.
    Eiapopeia, das Kätzchen ist tot –
    Du trägst auf der Stirne das Zeichen –
    Du wirst ein Mann und schwingst das Beil,
    Schon zittern im Walde die Eichen.
    Der alte Köhlerglaube verschwand,
    Es glauben die Köhlerkinder –
    Eiapopeia – nicht mehr an Gott,
    Und an den König noch minder.
    Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh –
    Wir müssen zuschanden werden –
    Eiapopeia – im Himmel der Gott
    Und ich, der König auf Erden.
    Mein Mut erlischt, mein Herz ist krank,
    Und täglich wird es kränker –
    Eiapopeia – du Köhlerkind,
    Ich weiß es, du bist mein Henker.
    Mein Todesgesang ist dein Wiegenlied –
    Eiapopeia – die greisen
    Haarlocken schneidest du ab zuvor –
    Im Nacken klirrt mir das Eisen.
    Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Du hast das Reich erworben,
    Und schlägst mir das Haupt vom Rumpf herab –
    Das Kätzchen ist gestorben.
    Eiapopeia, was raschelt im Stroh?
    Es blöken im Stalle die Schafe.
    Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh –
    Schlafe, mein Henkerchen, schlafe!«
    Maria Antoinette
    Wie heiter im Tuilerienschloß
    Blinken die Spiegelfenster,
    Und dennoch dort am hellen Tag
    Gehn um die alten Gespenster.
    Es spukt im Pavillon de Flor’
    Maria Antoinette;
    Sie hält dort morgens ihr Lever
    Mit strenger Etikette.
    Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn,
    Auf Taburetts andre sitzen;
    Die Kleider von Atlas und Goldbrokat,
    Behängt mit Juwelen und Spitzen.
    Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht,
    Darunter lauschen die netten
    Hochhackigen Füßchen so klug hervor –
    Ach, wenn sie nur Köpfe hätten!
    Sie haben alle keinen Kopf,
    Der Königin selbst manquieret
    Der Kopf, und Ihro Majestät
    Ist deshalb nicht frisieret.
    Ja, sie, die mit turmhohem Toupet
    So stolz sich konnte gebaren,
    Die Tochter Maria Theresias,
    Die Enkelin deutscher Cäsaren,
    Sie muß jetzt spuken ohne Frisur
    Und ohne Kopf, im Kreise
    Von unfrisierten Edelfraun,
    Die kopflos gleicherweise.
    Das sind die Folgen der Revolution
    Und ihrer fatalen Doktrine;
    An allem ist schuld Jean Jacques Rousseau,
    Voltaire und die Guillotine.
    Doch sonderbar! es dünkt mich schier,
    Als hätten die armen Geschöpfe
    Gar nicht bemerkt, wie tot sie sind
    Und daß sie verloren die Köpfe.
    Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst,
    Ein abgeschmacktes Scherwenzen –
    Possierlich sind und schauderhaft
    Die kopflosen Reverenzen.
    Es knickst die erste Dame d’atour
    Und bringt ein Hemd von Linnen;
    Die zweite reicht es der Königin,
    Und beide knicksen von hinnen.
    Die dritte Dam’ und die vierte Dam’
    Knicksen und niederknien
    Vor Ihrer Majestät, um Ihr
    Die Strümpfe anzuziehen.
    Ein Ehrenfräulein kommt und knickst
    Und bringt das Morgenjäckchen;
    Ein andres Fräulein knickst und bringt
    Der Königin Unterröckchen.
    Die Oberhofmeisterin steht dabei,
    Sie fächert die Brust, die weiße,
    Und in Ermanglung eines Kopfs
    Lächelt sie mit dem Steiße.
    Wohl durch die verhängten Fenster wirft
    Die Sonne neugierige Blicke,
    Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,
    Prallt sie erschrocken zurücke.
    Pomare
1.
    Alle Liebesgötter jauchzen
    Mir im Herzen, und Fanfare
    Blasen sie und rufen: »Heil!
    Heil, der Königin Pomare!«
    Jene nicht

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