Sämtliche Werke
dem Ritter das Herz in der Brust bebte, so hatte er doch einen deutschen Magen, infolge des stundenlangen Umherirrens sehnte er sich wirklich nach einer Atzung, und er ließ sich gern von der schönen Dame nach dem Speisesaal führen. Sie nahm ihn freundlich bei der Hand, und er folgte ihr durch hohe, hallende Gemächer, die, trotz aller Pracht, eine unheimliche Öde verrieten. Die Girandolen warfen ein so gespenstisch fahles Licht auf die Wände, deren bunte Fresken allerlei heidnische Liebesgeschichten, z.B. Paris und Helena, Diana und Endymion, Kalypso und Ulysses, darstellten. Die großen, abenteuerlichen Blumen, die in Marmorvasen längs den Fenstergeländern standen, waren von so beängstigend üppigen Bildungen und dufteten so leichenhaft, so betäubend. Dabei seufzte der Wind in den Kaminen wie ein leidender Mensch. Im Speisesaale setzte sich endlich die schöne Dame dem Ritter gegenüber, kredenzte ihm den Wein und reichte ihm lächelnd die besten Bissen. Mancherlei bei diesem Abendmahle mochte dem Ritter wohl befremdlich dünken. Als er um Salz bat, dessen auf dem Tische fehlte, zuckte ein fast häßlicher Unmut über das weiße Angesicht der schönen Frau, und erst nach wiederholtem Verlangen ließ sie endlich, mit sichtbarer Verdrießlichkeit, von den Dienern das Salzfaß herbeiholen. Diese stellten es mit zitternden Händen auf den Tisch und verschütteten schier die Hälfte des Inhalts. Doch der gute Wein, der wie Feuer in die Kehle des Ritters hinabglühte, beschwichtigte das geheime Grauen, das ihn manchmal anwandelte; ja, er wurde allmählich zutraulich und lüsternen Mutes, und als ihn die schöne Dame frug, ob er wisse, was Liebe sei, da antwortete er ihr mit flammenden Küssen. Trunken von Liebe, vielleicht auch von süßem Wein, entschlief er bald an der Brust seiner zärtlichen Wirtin. Doch wüste Träume schwirrten ihm durch den Sinn; grelle Nachtgesichte, wie sie uns im wahnwitzigen Halbschlafe eines Nervenfiebers zu beschleichen pflegen. Manchmal glaubte er seine alte Großmutter zu sehen, die daheim auf dem roten Lehnsessel saß und mit hastig bewegten Lippen betete. Manchmal hörte er ein höhnisches Kichern, und das kam von den großen Fledermäusen, die, mit Fackeln in den Krallen, um ihn her flatterten; als er sie genauer betrachtete, wollte es ihm jedoch dünken, es seien die Bedienten, die ihm bei Tische aufgewartet hatten. Zuletzt träumte ihm, seine schöne Wirtin habe sich plötzlich in ein häßliches Ungetüm verwandelt, und er selber, in rascher Todesangst, habe zu seinem Schwerte gegriffen und ihr damit das Haupt vom Rumpfe abgeschlagen. – – Erst spätmorgens, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, erwachte der Ritter aus seinem Schlafe. Aber statt in der prächtigen Villa, worin er übernachtet zu haben vermeinte, befand er sich inmitten der wohlbekannten Ruinen, und mit Entsetzen sah er, daß die schöne Bildsäule, die er so sehr liebte, von ihrem Postamente heruntergefallen war und ihr abgebrochenes Haupt zu seinen Füßen lag.
Einen ähnlichen Charakter trägt die Sage von dem jungen Ritter, der, als er einst, in einer Villa bei Rom, mit einigen Freunden Ball schlug, seinen Ring, der ihm bei diesem Spiele hinderlich wurde, von seiner Hand abzog und, damit er nicht verlorengehe, an den Finger eines Marmorbildes steckte. Als aber der Ritter, nachdem das Spiel beendigt war, zu der Statue, die eine heidnische Göttin vorstellte, zurückkehrte, sah er mit Schrecken, daß das marmorne Weib den Finger, woran er seinen Ring gesteckt hatte, nicht mehr grade wie vorher, sondern ganz eingebogen hielt, so daß ihm unmöglich war, den Ring wieder von ihrem Finger abzuziehen, ohne ihr die Hand zu zerbrechen, welches ihm doch ein seltsames Mitgefühl nicht erlaubte. Er ging zu seinen Spielgenossen, um ihnen dieses Wunder zu berichten, und lud sie ein, sich mit eignen Augen davon zu überzeugen. Doch als er mit seinen Freunden zurückkehrte, hielt das Marmorbild den Finger wieder grade ausgestreckt wie gewöhnlich, und der Ring war verschwunden. Einige Zeit nach jenem Ereignis beschloß der Ritter, in den heiligen Ehestand zu treten, und er feierte seine Hochzeit. Doch in der Brautnacht, als er eben zu Bette gehen wollte, trat zu ihm ein Weibsbild, welches der oberwähnten Statue ganz ähnlich war an Gestalt und Antlitz, und sie behauptete: dadurch, daß er seinen Ring an ihren Finger gesteckt, habe er sich ihr angelobt, und er gehöre ihr als rechtmäßiger Gemahl. Vergebens
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