Sämtliche Werke
Jahr,
Ein Jahr auf dieser Erden,
So wollt ich Reu’ und Buß’ empfahn
Und Gottes Gnad’ erwerben.«
Da zog er wieder aus der Stadt,
In Jammer und in Leiden:
»Maria Mutter, reine Magd,
Muß ich mich von dir scheiden,
So zieh ich wieder in den Berg,
Ewiglich und ohne Ende,
Zu Venus, meiner Frauen zart,
Wohin mich Gott will senden.«
»Seid willkommen, Tannhäuser gut,
Ich hab Euch lang’ entbehret,
Willkommen seid, mein liebster Herr,
Du Held, mir treu bekehret.«
Darnach wohl auf den dritten Tag,
Der Stecken hub an zu grünen,
Da sandt man Boten in alle Land’,
Wohin der Tannhäuser kommen.
Da war er wieder in dem Berg,
Darinnen sollt er nun bleiben
So lang’ bis an den Jüngsten Tag,
Wo ihn Gott will hinweisen.
Das soll nimmer kein Priester tun,
Dem Menschen Mißtrost geben,
Will er denn Buß’ und Reu’ empfahn,
Die Sünde sei ihm vergeben.
Ich erinnere mich, als ich zuerst dieses Lied las, in dem erwähnten Buche von Kornmann, überraschte mich zunächst der Kontrast seiner Sprache mit der pedantisch verlateinisierten, unerquicklichen Schreibart des siebzehnten Jahrhunderts, worin das Buch abgefaßt. Es war mir, als hätte ich in einem dumpfen Bergschacht plötzlich eine große Goldader entdeckt, und die stolzeinfachen, urkräftigen Worte strahlten mir so blank entgegen, daß mein Herz fast geblendet wurde von dem unerwarteten Glanz. Ich ahnte gleich, aus diesem Liede sprach zu mir eine wohlbekannte Freudenstimme; ich vernahm darin die Töne jener verketzerten Nachtigallen, die, während der Passionszeit des Mittelalters, mit gar schweigsamen Schnäblein sich versteckt halten mußten und nur zuweilen, wo man sie am wenigsten vermutete, etwa gar hinter einem Klostergitter, einige jauchzende Laute hervorflattern ließen. Kennst du die Briefe von Heloise an Abälard? Nächst dem Hohenliede des großen Königs (ich spreche von König Salomo) kenne ich keinen flammenderen Gesang der Zärtlichkeit als das Zweigespräch zwischen Frau Venus und dem Tannhäuser. Dieses Lied ist wie eine Schlacht der Liebe, und es fließt darin das roteste Herzblut.
Das eigentliche Alter des Tannhäuserlieds wäre schwer zu bestimmen. Es existiert schon in fliegenden Blättern vom ältesten Druck. Ein junger deutscher Dichter, Herr Bechstein, welcher sich freundlichst in Deutschland daran erinnerte, daß, als ich ihn in Paris bei meinem Freunde Wolff sah, jene alten fliegenden Blätter das Thema unserer Unterhaltung bildeten, hat mir dieser Tage eins derselben, betitelt »Das Lied von dem Danheüser«, zugeschickt. Nur die größere Altertümlichkeit der Sprache hielt mich davon ab, an der Stelle der obigen jüngeren Version diese ältere mitzuteilen. Die ältere enthält viele Abweichungen und trägt, nach meinem Bedünken, einen weit poetischeren Charakter.
Durch Zufall erhielt ich ebenfalls unlängst eine Bearbeitung desselben Liedes, wo kaum der äußere Rahmen der älteren Versionen beibehalten worden, die inneren Motive jedoch aufs sonderbarste verändert sind. In seiner älteren Gestalt ist das Gedicht unstreitig viel schöner, einfacher und großartiger. Nur eine gewisse Wahrheit des Gefühls hat die erwähnte jüngere Version mit demselben gemein, und da ich gewiß das einzige Exemplar besitze, das davon existiert, so will ich auch diese hier mitteilen:
Ihr guten Christen, laßt euch nicht
Von Satans List umgarnen!
Ich sing euch das Tannhäuserlied,
Um eure Seelen zu warnen.
Der edle Tannhäuser, ein Ritter gut,
Wollt Lieb’ und Lust gewinnen,
Da zog er in den Venusberg,
Blieb sieben Jahre drinnen.
»Frau Venus, meine schöne Frau,
Leb wohl, mein holdes Leben!
Ich will nicht länger bleiben bei dir,
Du sollst mir Urlaub geben.«
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
Hast heut mich nicht geküsset;
Küß mich geschwind, und sage mir:
Was du bei mir vermisset?
Hab ich nicht den allersüßesten Wein
Tagtäglich dir kredenzet?
Und hab ich nicht mit Rosen dir
Tagtäglich das Haupt bekränzet?«
»Frau Venus, meine schöne Frau,
Von süßem Wein und Küssen
Ist meine Seele worden krank;
Ich schmachte nach Bitternissen.
Wir haben zuviel gescherzt und gelacht,
Ich sehne mich nach Tränen,
Und statt mit Rosen möcht ich mein Haupt
Mit spitzigen Dornen krönen.«
»Tannhäuser, edler Ritter mein,
Du willst dich mit mir zanken;
Du hast geschworen vieltausendmal,
Niemals von mir zu wanken.
Komm, laß uns in die Kammer gehn,
Zu spielen der heimlichen Minne;
Mein schöner
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