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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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eigentümlichsten, romantisch wunderbar, klingt im deutschen Volke die Sage von der Göttin Venus die, als ihre Tempel gebrochen wurden, sich in einen geheimen Berg flüchtete, wo sie mit dem heitersten Luftgesindel, mit schönen Wald- und Wassernymphen, auch manchen berühmten Helden, die plötzlich aus der Welt verschwunden, das abenteuerlichste Freudenleben führt. Schon von weitem, wenn du dem Berge nahest, hörst du das vergnügte Lachen und die süßen Zitherklänge, die sich wie eine unsichtbare Kette um dein Herz schlingen und dich hineinziehen in den Berg. Zum Glück, unfern des Eingangs, hält Wache ein alter Ritter, geheißen der getreue Eckhart; er steht gestützt auf seinem großen Schlachtschwert, wie eine Bildsäule, aber sein ehrliches, eisgraues Haupt wackelt beständig, und er warnt dich betrübsam vor den zärtlichen Gefahren, die deiner im Berge harren. Mancher ließ sich noch beizeiten zurückschrecken, mancher hingegen überhörte die meckernde Stimme des alten Warners und stürzte blindlings in den Abgrund der verdammten Lust. Eine Weile lang geht’s gut. Aber der Mensch ist nicht immer aufgelegt zum Lachen, er wird manchmal still und ernst und denkt zurück in die Vergangenheit; denn die Vergangenheit ist die eigentliche Heimat seiner Seele, und es erfaßt ihn ein Heimweh nach den Gefühlen, die er einst empfunden hat, und seien es auch Gefühle des Schmerzes. So erging es namentlich dem Tannhäuser, nach dem Berichte eines Liedes, das zu den merkwürdigsten Sprachdenkmalen gehört, die sich im Munde des deutschen Volkes erhalten. Ich las das Lied zuerst in dem erwähnten Werke von Kornmann. Diesem hat es Prätorius fast wörtlich entlehnt, aus dem »Blocksberg« von Prätorius haben es die Sammler des »Wunderhorns« abgedruckt, und erst nach einer vielleicht fehlerhaften Abschrift aus letzterem Buche muß ich das Lied hier mitteilen:
    Nun will ich aber heben an,
    Vom Tannhäuser wollen wir singen,
    Und was er Wunders hat getan,
    Mit Frau Venussinnen.
    Der Tannhäuser war ein Ritter gut,
    Er wollt groß’ Wunder schauen;
    Da zog er in Frau Venus’ Berg,
    Zu andern schönen Frauen.
    »Herr Tannhäuser, Ihr seid mir lieb,
    Daran sollt Ihr gedenken,
    Ihr habt mir einen Eid geschworen,
    Ihr wollt nicht von mir wanken.«
    »Frau Venus, ich hab es nicht getan,
    Ich will dem widersprechen,
    Denn niemand spricht das mehr als Ihr,
    Gott helf’ mir zu den Rechten.«
    »Herr Tannhäuser, wie saget Ihr mir!
    Ihr sollet bei uns bleiben,
    Ich geb Euch meiner Gespielen ein’,
    Zu einem ehelichen Weibe.«
    »Nehme ich dann ein ander Weib,
    Als ich hab in meinem Sinne,
    So muß ich in der Höllenglut
    Da ewiglich verbrennen.«
    »Du sagst mir viel von der Höllenglut,
    Du hast es doch nicht befunden;
    Gedenk an meinen roten Mund,
    Der lacht zu allen Stunden.«
    »Was hilft mir Euer roter Mund,
    Er ist mir gar unmehre,
    Nun gib mir Urlaub, Frau Venus zart,
    Durch aller Frauen Ehre.«
    »Herr Tannhäuser, wollt Ihr Urlaub han,
    Ich will Euch keinen geben;
    Nun bleibet, edler Tannhäuser zart,
    Und frischet Euer Leben.«
    »Mein Leben ist schon worden krank,
    Ich kann nicht länger bleiben,
    Gebt mir Urlaub, Fraue zart,
    Von Eurem stolzen Leibe.«
    »Herr Tannhäuser, nicht sprecht also,
    Ihr seid nicht wohl bei Sinnen,
    Nun laßt uns in die Kammer gehn
    Und spielen der heimlichen Minnen.«
    »Eure Minne ist mir worden leid;
    Ich hab in meinem Sinne,
    O Venus, edle Jungfrau zart,
    Ihr seid eine Teufelinne.«
    »Tannhäuser, ach, wie sprecht Ihr so,
    Bestehet Ihr mich zu schelten?
    Sollt’t Ihr noch länger bei uns sein,
    Des Worts müßt Ihr entgelten.
    Tannhäuser, wollt Ihr Urlaub han,
    Nehmt Urlaub von den Greisen,
    Und wo Ihr in dem Land umfahren,
    Mein Lob, das sollt Ihr preisen.«
    Der Tannhäuser zog wieder aus dem Berg,
    In Jammer und in Reuen:
    ›Ich will gen Rom in die fromme Stadt,
    All auf den Papst vertrauen.
    Nun fahr ich fröhlich auf die Bahn,
    Gott muß es immer walten,
    Zu einem Papst, der heißt Urban,
    Ob er mich wolle behalten.‹
    »Herr Papst, Ihr geistlicher Vater mein,
    Ich klag Euch meine Sünde,
    Die ich mein Tag begangen hab,
    Als ich Euch will verkünden;
    Ich bin gewesen ein ganzes Jahr
    Bei Venus, einer Frauen,
    Nun will ich Beicht’ und Buß’ empfahn,
    Ob ich möcht Gott anschauen.«
    Der Papst hat einen Stecken weiß,
    Der war von dürrem Zweige:
    »Wann dieser Stecken Blätter trägt,
    Sind dir deine Sünden verziehen.«
    »Sollt ich leben nicht mehr denn ein

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