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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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weitsichtig Meyerbeer für das Gedeihen seiner Geisteskinder bis über das Grab hinaus gesorgt hat. »Diese Fürsorge«, sagte ich, »ist ein psychologischer Beweis, daß nicht Herr Gouin, sondern der große Giacomo der wirkliche Vater sei. Derselbe hat nämlich in seinem Testament zugunsten seiner musikalischen Geisteskinder gleichsam ein Fideikommiß gestiftet, indem er jedem ein Kapital vermachte, dessen Zinsen dazu bestimmt sind, die Zukunft der armen Waisen zu sichern, so daß auch nach dem Hinscheiden des Herrn Vaters die gehörigen Popularitätsausgaben, der eventuelle Aufwand von Flitterstaat, Claque, Zeitungslob usw., bestritten werden können. Selbst für das noch ungeborne Prophetchen soll der zärtliche Erzeuger die Summe von 150000 Taler preuß. Cour. ausgesetzt haben. Wahrlich, noch nie ist ein Prophet mit einem so großen Vermögen zur Welt gekommen; der Zimmermannssohn von Bethlehem und der Kameltreiber von Mekka waren nicht so begütert. ›Robert le Diable‹ und die ›Hugenotten‹ sollen minder reichlich dotiert sein; sie können vielleicht auch einige Zeit vom eigenen Fette zehren, solange für Dekorationspracht und üppige Ballettbeine gesorgt ist; später werden sie Zulage bedürfen. Für den ›Crociato‹ dürfte die Dotation nicht so glänzend ausfallen; mit Recht zeigt sich hier der Vater ein bißchen knickerig, und er klagt, der lockere Fant habe ihm einst in Italien zuviel gekostet; er sei ein Verschwender. Desto großmütiger bedenkt Meyerbeer seine unglückliche, durchgefallene Tochter ›Emma di Resburgo‹; sie soll jährlich in der Presse wieder aufgeboten werden, sie soll eine neue Ausstattung bekommen und erscheint in einer Prachtausgabe von Satin-Velin; für verkrüppelte Wechselbälge schlägt immer am treuesten das liebende Herz der Eltern. Solcherweise sind alle Meyerbeerschen Geisteskinder gut versorgt, ihre Zukunft ist verassekuriert für alle Zeiten.« –
    Der Haß verblendet selbst die Klügsten, und es ist kein Wunder, daß ein leidenschaftlicher Narr, wie Spontini, meine Worte nicht ganz bezweifelte. – Er rief aus: »Oh! er ist alles fähig! Unglückliche Zeit! Unglückliche Welt!«
    Ich schließe hier, da ich ohnehin heute sehr tragisch gestimmt bin und trübe Todesgedanken über meinen Geist ihre Schatten werfen. Heute hat man meinen armen Sakoski begraben, den berühmten Lederkünstler – denn die Benennung Schuster ist zu gering für einen Sakoski. Alle marchands bottiers und fabricants de chaussures von Paris folgten seiner Leiche. Er ward achtundachtzig Jahre alt und starb an einer Indigestion. Er lebte weise und glücklich. Wenig bekümmerte er sich um die Köpfe, aber desto mehr um die Füße seiner Zeitgenossen. Möge die Erde dich ebensowenig drücken wie mich deine Stiefel!
XIII
    Paris, 3. Juli 1840
    Für einige Zeit haben wir Ruhe, wenigstens vor den Deputierten und Fortepianospielern, den zwei schrecklichen Landplagen, wovon wir den ganzen Winter bis tief ins Frühjahr soviel erdulden müssen. Das Palais Bourbon und die Salons der H. H. Érard und Herz sind mit dreifachen Schlössern verriegelt. Gottlob, die politischen und musikalischen Virtuosen schweigen! Die paar Greise, die im Luxembourg sitzen, murmeln immer leiser oder nicken schlaftrunken ihre Einwilligung zu den Beschlüssen der jüngern Kammer. Ein paarmal vor einigen Wochen machten die alten Herren eine verneinende Kopfbewegung, die man als bedrohlich für das Ministerium auslegte; aber sie meinten es nicht so ernsthaft. Herr Thiers hat nichts weniger als einen bedeutenden Widerspruch von seiten der Pairskammer zu erwarten. Auf diese kann er noch sicherer zählen als auf seine Schildhalter in der Deputiertenkammer, obgleich er auch letztere mit gar starken Banden und Bändchen, mit rhetorischen Blumenketten und vollwichtigen Goldketten, an seine Person gefesselt hat!
    Der große Kampf dürfte jedoch nächsten Winter hervorbrechen, nämlich, wenn Herr Guizot, der seinen Gesandtschaftsposten aufgeben wird, von London zurückkehrt und seine Opposition gegen Herrn Thiers aufs neue eröffnet. Diese beiden Nebenbuhler haben schon frühe begriffen, daß sie zwar einen kurzen Waffenstillstand schließen, aber nimmermehr ihren Zweikampf ganz aufgeben können. Mit dem Ende desselben findet vielleicht auch das ganze parlamentarische Gouvernement in Frankreich seinen Abschluß.
    Herr Guizot beging einen großen Fehler, als er an der Koalition teilnahm. Er hat später selber eingestanden, daß es ein

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