Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
Vom Netzwerk:
innige Verbindung beider Männer, deren Interessen sich ebenso innig ergänzen. Aber ein Vater bleibt immer Vater, und dem Freund Gouin liegt das Schicksal seiner Geisteskinder beständig am Herzen; die Details der Aufführung und des Erfolgs von »Robert le Diable« und den »Hugenotten« nehmen seine ganze Tätigkeit in Anspruch, er wohnt jeder Probe bei, er unterhandelt beständig mit dem Operndirektor, mit den Sängern, den Tänzern, dem Chef de claque, den Journalisten; er läuft mit seinen Transtiefeln ohne Lederstrippen von morgens bis abends nach allen Zeitungsredaktionen, um irgendein Reklam zugunsten der sogenannten Meyerbeerschen Opern anzubringen, und seine Unermüdlichkeit soll jeden in Erstaunen setzen.
    Als mir Spontini diese Hypothese mitteilte, gestand ich, daß sie nicht aller Wahrscheinlichkeit ermangle und daß, obgleich das vierschrötige Äußere, das ziegelrote Gesicht, die kurze Stirn, das schmierig schwarze Haar des erwähnten Herrn Gouin viel mehr an einen Ochsenzüchter oder Viehmäster als an einen Tonkünstler erinnere, dennoch in seinem Benehmen manches vorkomme, das ihn in den Verdacht bringe, der Autor der Meyerbeerschen Opern zu sein. Es passiert ihm manchmal, daß er »Robert le Diable« oder die »Hugenotten« »unsere Oper« nennt. Es entschlüpfen ihm Redensarten wie: »Wir haben heute eine Repetition« – »Wir müssen eine Arie abkürzen.« Auch ist es sonderbar, bei keiner Vorstellung jener Opern fehlt Herr Gouin, und wird eine Bravourarie applaudiert, vergißt er sich ganz und verbeugt sich nach allen Seiten, als wolle er dem Publiko danken. Ich gestand dieses alles dem grimmigen Italiener; »aber dennoch«, fügte ich hinzu, »trotzdem daß ich mit eigenen Augen dergleichen bemerkt, halte ich Herrn Gouin nicht für den Autor der Meyerbeerschen Opern; ich kann nicht glauben, daß Herr Gouin die ›Hugenotten‹ und ›Robert le Diable‹ geschrieben habe; ist es aber doch der Fall, so muß gewiß die Künstlereitelkeit am Ende die Oberhand gewinnen, und Herr Gouin wird öffentlich die Autorschaft jener Opern für sich vindizieren«.
    »Nein«, erwiderte der Italiener mit einem unheimlichen Blick, der stechend wie ein blankes Stilett, »dieser Gouin kennt zu gut seinen Meyerbeer, als daß er nicht wüßte, welche Mittel seinem schrecklichen Freunde zu Gebote stehen, um jemand zu beseitigen, der ihm gefährlich ist. Er wäre kapabel, unter dem Vorwande, sein armer Gouin sei verrückt geworden, denselben auf ewig in Charenton einsperren zu lassen, und der arme Schelm dürfte noch froh sein, mit dem Leben davonzukommen. Alle, die jenem Ehrgeizling hindernd im Wege stehen, müssen weichen. Wo ist Weber? wo Bellini? Hum! Hum!«
    Dieses »Hum! Hum!« war trotz aller unverschämten Bosheit so drollig, daß ich nicht ohne Lachen die Bemerkung machte: »Aber Sie, Maestro, Sie sind noch nicht aus dem Wege geräumt, auch nicht Donizetti oder Mendelssohn oder Rossini oder Halévy.« – »Hum! Hum!« war die Antwort, »Hum! Hum! Halévy geniert seinen Konfrater nicht, und dieser würde ihn sogar dafür bezahlen, daß er nur existiere, als ungefährlicher Scheinrival, und von Rossini weiß er, durch seine Späher, daß derselbe keine Note mehr komponiert – auch hat Rossinis Magen schon genug gelitten, und er berührt kein Piano, um nicht Meyerbeers Argwohn zu erregen. Hum! Hum! Aber gottlob! nur unsere Leiber können getötet werden, nicht unsere Geisteswerke; diese werden in ewiger Frische fortblühen, während mit dem Tode jenes Cartouche der Musik auch seine Unsterblichkeit ein Ende nimmt und seine Opern ihm folgen ins stumme Reich der Vergessenheit!«
    Nur mit Mühe zügelte ich meinen Unwillen, als ich hörte, mit welcher frechen Geringschätzung der welsche Neidhart von dem großen, hochgefeierten Meister sprach, welcher der Stolz Deutschlands und die Wonne des Morgenlandes ist und gewiß als der wahre Schöpfer von »Robert le Diable« und den »Hugenotten« betrachtet und bewundert werden muß! Nein, so etwas Herrliches hat kein Gouin komponiert! Bei aller Verehrung für den hohen Genius wollen freilich zuweilen bedenkliche Zweifel in mir aufsteigen in betreff der Unsterblichkeit dieser Meisterwerke nach dem Ableben des Meisters, aber in meiner Unterredung mit Spontini gab ich mir doch die Miene, als sei ich überzeugt von ihrer Fortdauer nach dem Tode, und um den boshaften Italiener zu ärgern, machte ich ihm im Vertrauen eine Mitteilung, woraus er ersehen konnte, wie

Weitere Kostenlose Bücher