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Sämtliche Werke

Titel: Sämtliche Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Heine
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so würde seine Legitimität ihn nicht so inviolabel schützen wie jene Könige von Gottes Gnaden, die überall, wo sie sind, den Mittelpunkt ihres Reiches bilden. Fiele Paris gar in die Hände der Republikaner, infolge einer Revolte, so würden die fremden Mächte vielleicht mit Heeresmacht heranziehen, aber schwerlich, um eine Restauration zu versuchen zugunsten Ludwig Philipps, welcher im Julius 1830 König der Franzosen ward, nicht parceque Bourbon, sondern quoique Bourbon! Dies fühlt der kluge Herrscher, und er verschanzt sich in seinem Malapartus. Daß die Befestigung von Paris, wie für ihn selber, so auch für Frankreich heilsam und notwendig, ist sein fester Glaube, und neben der Privatlaune und dem Selbsterhaltungstrieb leitete ihn hier eine echte und wahrhafte Vaterlandsliebe. Jeder König ist ja ein natürlicher Patriot und liebt sein Land, in dessen Geschichte sein Leben wurzelt und mit dessen Schicksalen es verwachsen ist. Ludwig Philipp ist ein Patriot, und zwar im bürgerlichen, familienväterlichen, neufränkischen Sinne, wie denn überhaupt in den Orleans eine ganz andere Art des Patriotismus sich entwickelte als in den Bourbonen der ältern Linie, die mehr vom historischen Stammesstolze, vom mittelalterlichen Adeltum, beseelt waren als von eigentlicher Liebe für Frankreich.
    Da diese Vaterlandsliebe von den Franzosen als die höchste Tugend angesehen wird, so war es eine sehr wirksame Büberei, daß die Feinde des Königs seine patriotischen Gesinnungen durch verfälschte Briefe verdächtigten. Ja, diese famosen Briefe sind zum Teil verfälscht, zum Teil ganz falsch, und ich begreife nicht, wie manche ehrliche Leute unter den Republikanern nur einen Augenblick an ihre Echtheit glauben konnten. Aber diese Leute sind immer die Düpes der Legitimisten, welche die Waffen schmieden, womit jene das Leben oder den Leumund des Königs zu meucheln suchen. Der Republikaner ist immer bereit, sein Leben bei jeder gefährlichen Untat aufs Spiel zu setzen; aber er ist doch nur ein täppisches Werkzeug fremder Erfindsamkeit, die für ihn denkt und rechnet: man kann im wahren Sinne des Wortes von den Republikanern behaupten, daß sie das Pulver nicht erfunden haben, womit sie auf den König schießen.
    Ja, wer in Frankreich das Nationalgefühl besitzt und begreift, übt den unwiderstehlichsten Zauber auf die Masse und kann sie nach Belieben lenken und treiben, ihnen das Geld oder das Blut abzapfen und sie in alle möglichen Uniformen stecken, in die Rittertracht des Ruhmes oder in die Livree der Knechtschaft. Das war das Geheimnis Napoleons, und sein Geschichtschreiber Thiers hat es ihm abgelauscht, abgelauscht mit dem Herzen, nicht mit dem bloßen Verstande; denn nur das Gefühl versteht das Gefühl. Thiers ist wahrhaft durchglüht vom französischen Nationalgefühl, und wer dieses gemerkt hat, versteht seine Macht und Unmacht, seine Irrtümer und Vorzüge, seine Größe und Kleinheit und sein Anrecht auf die Zukunft. Dieses Nationalgefühl erklärt alle Akte seines Ministeriums: hier sehen wir die Translation der kaiserlichen Asche, die glorreichste Feier des Heldentums, neben der kläglichen Vertretung jenes kläglichen Konsuls von Damaskus, welcher mittelalterliche Justizgreuel unterstützte, aber ein Repräsentant von Frankreich war; hier sehen wir das leichtsinnigste Aufbrausen und Alarmschlagen, als der Londoner Traktat divulgiert und Frankreich beleidigt ward, und daneben die besonnene Aktivität der Bewaffnung und jenen kolossalen Entschluß der Fortifikation von Paris. Ja, Thiers war es, welcher letztere begann und für dieses Beginnen auch nachträglich das Gesetz in der Kammer eroberte. Nie sprach er mit größerer Beredsamkeit, nie hat er mit feinerer Taktik einen parlamentarischen Sieg erfochten. Es war eine Schlacht, und im letzten Augenblick war die Entscheidung sehr zweifelhaft; aber das Feldherrnauge des Thiers entdeckte schnell die Gefahr, die dem Gesetz drohte, und ein improvisiertes Amendement gab den Ausschlag. Ihm gebührt die Ehre des Tages.
    Es fehlte nicht an Leuten, die den Eifer, den Thiers für den Gesetzentwurf an den Tag legte, nur egoistischen Motiven zuschrieben. Aber hier war wirklich nur der Patriotismus vorwaltend, und ich wiederhole es, Herr Thiers ist durchdrungen von diesem Gefühle. Er ist ganz der Mann der Nationalität, nicht der Revolution, als deren Sohn er sich gern darstellt. Mit dieser Kindschaft hat es freilich seine Richtigkeit, die Revolution ist seine Mutter,

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