Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
–?
Käthchen. In der Silvesternacht.
Wenn wiederum Silvester kommt, zwei Jahr.
Der Graf vom Strahl.
Wo? In dem Schloß zu Strahl?
Käthchen. Nicht! In Heilbronn;
Im Kämmerlein, wo mir das Bette steht.
Der Graf vom Strahl.
Was du da schwatzst, mein liebes Kind. – Ich lag
Und obenein todkrank, im Schloß zu Strahl.
(Pause. – Sie seufzt, bewegt sich, und lispelt etwas.)
Der Graf vom Strahl.
Was sagst du?
Käthchen. Wer?
Der Graf vom Strahl. Du!
Käthchen. Ich? Ich sagte nichts.
(Pause.)
Der Graf vom Strahl (für sich).
Seltsam, beim Himmel! In der Silvesternacht –
(Er träumt vor sich nieder.)
- Erzähl mir doch etwas davon, mein Käthchen!
Kam ich allein?
Käthchen. Nein, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl.
Nicht? – Wer war bei mir?
Käthchen. Ach, so geh!
Der Graf vom Strahl. So rede!
Käthchen.
Das weißt du nicht mehr?
Der Graf vom Strahl. Nein, so wahr ich lebe.
Käthchen.
Ein Cherubim, mein hoher Herr, war bei dir,
Mit Flügeln, weiß wie Schnee, auf beiden Schultern,
Und Licht – o Herr! das funkelte! das glänzte! –
Der führt’, an seiner Hand, dich zu mir ein.
Der Graf vom Strahl (starrt sie an).
So wahr, als ich will selig sein, ich glaube,
Da hast du recht!
Käthchen. Ja, mein verehrter Herr.
Der Graf vom Strahl (mit beklemmter Stimme).
Auf einem härnen Kissen lagst du da,
Das Bettuch weiß, die wollne Decke rot?
Käthchen.
Ganz recht! so wars!
Der Graf vom Strahl. Im bloßen leichten Hemdchen?
Käthchen.
Im Hemdchen? – Nein.
Der Graf vom Strahl. Was! Nicht?
Käthchen. Im leichten Hemdchen?
Der Graf vom Strahl.
Mariane, riefst du?
Käthchen. Mariane, rief ich!
Geschwind! Ihr Mädchen! Kommt doch her, Christine!
Der Graf vom Strahl.
Sahst groß, mit schwarzem Aug, mich an?
Käthchen.
Ja, weil ich glaubt, es wär ein Traum.
Der Graf vom Strahl. Stiegst langsam,
An allen Gliedern zitternd, aus dem Bett,
Und sankst zu Füßen mir –?
Käthchen. Und flüsterte –
Der Graf vom Strahl (unterbricht sie).
Und flüstertest, mein hochverehrter Herr!
Käthchen (lächelnd).
O Nun! Siehst du wohl? – Der Engel zeigte dir –
Der Graf vom Strahl.
Das Mal – Schützt mich, ihr Himmlischen! Das hast du?
Käthchen.
Je, freilich!
Der Graf vom Strahl (reißt ihr das Tuch ab).
Wo? Am Halse?
Käthchen (bewegt sich). Bitte, bitte.
Der Graf vom Strahl.
O ihr Urewigen! – Und als ich jetzt,
Dein Kinn erhob, ins Antlitz dir zu schauen?
Käthchen.
Ja, da kam die unselige Mariane
Mit Licht – – – und alles war vorbei;
Ich lag im Hemdchen auf der Erde da,
Und die Mariane spottete mich aus.
Der Graf vom Strahl.
Nun steht mir bei, ihr Götter: ich bin doppelt!
Ein Geist bin ich und wandele zur Nacht!
(Er läßt sie los und springt auf.)
Käthchen (erwacht).
Gott, meines Lebens Herr! Was widerfährt mir!
(Sie steht auf und sieht sich um.)
Der Graf vom Strahl.
Was mir ein Traum schien, nackte Wahrheit ists:
Im Schloß zu Strahl, todkrank am Nervenfieber,
Lag ich danieder, und hinweggeführt,
Von einem Cherubim, besuchte sie
Mein Geist in ihrer Klause zu Heilbronn!
Käthchen.
Himmel! Der Graf!
(Sie setzt sich den Hut auf, und rückt sich das Tuch zurecht.)
Der Graf vom Strahl.
Was tu ich jetzt? Was laß ich?
(Pause.)
Käthchen (fällt auf ihre beiden Kniee nieder).
Mein hoher Herr, hier lieg ich dir zu Füßen,
Gewärtig dessen, was du mir verhängst!
An deines Schlosses Mauer fandst du mich,
Trotz des Gebots, das du mir eingeschärft;
Ich schwörs, es war ein Stündchen nur zu ruhn,
Und jetzt will ich gleich wieder weiter gehn.
Der Graf vom Strahl.
Weh mir! Mein Geist, von Wunderlicht geblendet,
Schwankt an des Wahnsinns grausem Hang umher!
Denn wie begreif ich die Verkündigung,
Die mir noch silbern wiederklingt im Ohr,
Daß sie die Tochter meines Kaisers sei?
Gottschalk (draußen).
Käthchen! He, junge Maid!
Der Graf vom Strahl (erhebt sie rasch vom Boden).
Geschwind erhebe dich!
Mach dir das Tuch zurecht! Wie siehst du aus?
Dritter Auftritt
Gottschalk tritt auf. Die Vorigen.
Der Graf vom Strahl.
Gut, Gottschalk, daß du kommst! Du fragtest mich,
Ob du die Jungfrau in den Stall darfst nehmen;
Das aber schickt aus
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