Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
Jesus noch darinnen sei;
Denn er, versprochen hatt’ er ihnen,
Er werd’ am dritten Tage auferstehn.
Da nun die Fraun, die gläubigen, sich nahten
Der Grabeshöhle: was erblickten sie?
Die Hüter, die das Grab bewachen sollten,
Gestürzt, das Angesicht in Staub,
Wie Tote um den Felsen lagen sie;
Der Stein war weit hinweggewälzt vom Eingang;
Und auf dem Rande saß, das Flügelpaar noch regend,
Ein Engel, wie der Blitz erscheint,
Und sein Gewand so weiß wie junger Schnee.
Da stürzten sie, wie Leichen, selbst getroffen
Zu Boden hin und fühlten sich wie Staub
Und meinten gleich im Glanze zu vergehn;
Doch er, er sprach, der Cherub: »Fürchtet nicht!
Ihr suchet Jesum, den Gekreuzigten –
Der aber ist nicht hier, er ist erstanden;
Kommt her und schaut die öde Stätte an!«
Und fuhr, als sie mit hocherhobnen Händen
Sprachlos die Grabesstätte leer erschaut,
In seiner hehren Milde also fort:
»Geht hin, ihr Fraun, und kündigt es nunmehr
Den Jüngern an, die er sich auserkoren,
Daß sie es allen Erdenvölkern lehren
Und tun also, wie er getan!« – und schwand.
Zur Eröffnung des Phöbus.
Prolog.
Wettre hinein, o du mit deinen flammenden Rossen,
Phöbus, Bringer des Tags, in den unendlichen Raum!
Gib den Horen dich hin! Nicht um dich, neben, noch rückwärts,
Vorwärts wende den Blick, wo das Geschwader sich regt!
Donnr’ einher, gleichviel ob über die Länder der Menschen,
Achtlos, welchem du steigst, welchem Geschlecht du versinkst!
Hier jetzt lenke, jetzt dort, so wie die Faust sich dir stellet,
Weil die Kraft dich, der Kraft spielende Uebung erfreut.
Fehlen nicht wirst du, du triffst; es ist der Tanz um die Erde,
Und auch vom Wartturm entdeckt unten ein Späher das Maß.
Epilog.
Ruhig, ruhig! nur sacht! das saust ja, Kronion, als wollten
Lenker und Wagen und Roß stürzend einschmettern zu Staub!
Niemand, ersuch’ ich, übergeprescht! Wir lieben die Fahrt schon
Munter gestellt; doch es sind Häls’ uns und Beine uns lieb.
Dir fehlt nichts als hinten der Schweif; auf der Warte zum mindsten
Weiß noch versammelt die Zunft nicht, wo das aus will, wo ein.
Führ’ in die Ställ’, ich bitte dich sehr, und laß jetzt verschnaufen,
Daß wir erwägen zu Nacht, was wir gehört und gesehn.
Weit noch ist, die vorliegt, die Bahn, und mit Wasser, o Phöbus,
Was du den Rossen auch gibst, kochst du zuletzt doch wie wir.
Dich auch seh’ ich noch schrittweis einher die prustenden führen,
Und nicht immer, beim Zeus, sticht sie der Haber wie heut.
Gleich und ungleich.
Eine Legende nach Hans Sachs.
Der Herr, als er auf Erden noch einherging,
Kam mit Sankt Peter einst an einen Scheideweg
Und fragte, unbekannt des Landes,
Das er durchstreifte, einen Bauersknecht,
Der faul, da, wo der Rain sich spaltete, gestreckt
In eines Birnbaums Schatten lag:
Was für ein Weg nach Jericho ihn führe?
Der Kerl, die Männer nicht beachtend,
Verdrießlich, sich zu regen, hob ein Bein,
Zeigt auf ein Haus im Feld und gähnt’ und sprach: »Da unten!«
Zerrt sich die Mütze übers Ohr zurecht,
Kehrt sich und schnarcht schon wieder ein.
Die Männer drauf, wohin das Bein gewiesen,
Gehn ihre Straße fort; jedoch nicht lange währt’s,
Von Menschen leer, wie sie das Haus befinden,
Sind sie im Land schon wieder irr.
Da steht im heißen Strahl der Mittagssonne,
Bedeckt von Aehren, eine Magd,
Die schneidet frisch und wacker Korn;
Der Schweiß rollt ihr vom Angesicht herab.
Der Herr, nachdem er sich gefällig drob ergangen,
Kehrt also sich mit Freundlichkeit zu ihr:
»Mein Töchterchen, gehn wir auch recht,
So wie wir stehn, den Weg nach Jericho?«
Die Magd antwortet flink: »Ei, Herr!
Da seid ihr weit vom Wege irr gegangen;
Dort hinterm Walde liegt der Turm von Jericho;
Kommt her, ich will den Weg Euch zeigen.«
Und legt die Sichel weg und führt geschickt und emsig
Durch Aecker, die der Rain durchschneidet,
Die Männer auf die rechte Straße hin,
Zeigt noch, wo schon der Turm von Jericho erglänzet,
Grüßt sie und eilt zurücke wieder,
Auf daß sie schneid’ in Rüstigkeit und raffe,
Von Schweiß betrieft, im Weizenfelde,
So nach wie vor.
Sankt Peter spricht: »O Meister mein!
Ich bitte dich, um deiner Güte willen,
Du wollest dieser Maid die Tat der Liebe lohnen
Und flink und wacker, wie sie ist,
Ihr einen Mann, flink auch und wacker, schenken,« –
»Die Maid,« versetzt der Herr voll Ernst,
»Die soll den faulen Schelmen nehmen,
Den wir am Scheideweg im Birnbaumsschatten
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