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Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich von Kleist
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„Peter der Einsiedler“ und „Leopold von Oesterreich“ und ging, während Pfuel, von bösen Ahnungen getrieben, ihn bereits   in der Morgue suchte, nach Boulogne sur Mer, wo er in dem Zuge Napoleons gegen England den Tod zu finden hoffte. Dieser Entschluß, der ihn in Widerspruch mit seinen französischen Antipathien setzte, stand bei ihm so fest, daß er Rekruten denen er unterwegs begegnete, zum Glück vergeblich anbot an die Stelle eines von ihnen einzutreten. Ein französischer Stabsarzt, der ihn zufällig erkannte, rettete ihn vor der Gefahr als Spion betrachtet und erschossen zu werden, nahm ihn als Bedienten mit nach St. Omer und von hier aus verschaffte sich K. einen Paß von dem preußischen Gesandten in Paris, der ihn aber direct nach Potsdam zurückverwies. In Mainz erkrankte er lebensgefährlich, wurde jedoch durch den Arzt v. Wedekind nach sechsmonatlichem Leiden wieder hergestellt und nachdem ihm der krause Einfall durch den Kopf gegangen war, sich in Coblenz bei einem Tischler zu verdingen und der bereits erwähnte Pfarrer, bei dem er sich eine Zeit lang in der Gegend von Wiesbaden aufhielt, daran gedacht hatte, ihn im Bureau eines seiner Freunde unterzubringen, kehrte er im Juni 1804 nach Potsdam zurück. Hier standen ihm große Demüthigungen bevor. Er mußte den ihm früher unerträglichen Plan einer Staatsanstellung wieder aufnehmen, während Lucchesini rücksichtslos genug gewesen war den Brief, mit welchem K. sich von St. Omer aus an ihn gewandt hatte, in die Hände des Königs gelangen zu lassen, so daß Friedrich Wilhelm III. in seiner ungünstigen Meinung über den armen Dichter nur noch bestätigt wurde. Der Generaladjutant v. Köckeritz, dem K. sein Gesuch vortrug, warf ihm unter Anderem vor „Versche“ gemacht zu haben, während K. ihm, wie er der Schwester (der er übrigens hatte versprechen müssen, der Dichtkunst ganz den Rücken zu kehren) von Berlin am 24. Juni schreibt, unter Thränen gestand, „seine Einschiffungsgeschichte hätte gar keine politischen Motive gehabt, sie gehöre vor das Forum eines Arztes weit eher als des Cabinets.“ Er theilte Ulriken auch mit, daß er an den König geschrieben habe, „doch weil das Anerbieten meiner Dienste wahrscheinlich fruchtlos bleiben wird, so habe ich es wenigstens in einer Sprache gethan, welche geführt zu haben mich nicht gereuen wird. Du selbst hast es mir zur Pflicht gemacht mich nicht zu erniedrigen; und lieber die Gunst der ganzen Welt verscherzen als die Deinige!“ Unter bangen Hoffnungen und Schwankungen verstrich das Jahr 1804. Eine Zeit lang hatte sich K. die Aussicht dargeboten unter dem wegen seiner glänzenden Eigenschaften bekannten und K. von Potsdam her befreundeten Major v. Gualtieri, der als Gesandter nach Madrid ging, in die diplomatische Laufbahn zu treten; dann war auch die Rede davon ihn in Baireuth anzustellen; endlich aber gab die Gnade des Königs sich darin kund, daß K., welcher allen diesen Plänen leidend und skeptisch gegenüberstand, als Diätar zur Domänenkammer in Königsberg kam, wo er das Glück hatte, den dort gleichfalls beamteten Pfuel, der von ihm übrigens schon in Potsdam mit einem Besuche überrascht worden war, zu finden. Eine eigenthümliche Wendung des Schicksals war es, daß gerade dort seine ehemalige Braut Wilhelmine nunmehr als Gattin W. T. Krug’s lebte, Krug’s, der demjenigen Philosophen im Lehrstuhl gefolgt war, welcher durch seine „Kritik der reinen Vernunft“ den tiefen Riß in seinem Gemüthe verursacht, ja ihn dem Wahnsinn nahe gebracht hatte. Der Schwerpunkt seines Leidens war indessen so verändert, daß er bei dem Rivalen Hausfreund werden konnte und in Gesellschaft Wilhelminens und der „goldenen Schwester“ sogar neue Nahrung für sein poetisches Schaffen fand. Da ihm, wie es scheint durch Vermittlung von Ulriken’s am Hofe verkehrenden Bekannten, von der Königin Luise eine jährliche Pension von sechzig Friedrichsdor erwirkt worden war und er außerdem Diäten bezog, so konnte er, trotz des Zusammenschmelzens seines kleinen Vermögens, seine materielle Existenz eine leidliche nennen; aber in das Beamtenthum konnte er sich schlechterdings   nicht finden, obgleich er mit seinem Chef, dem späteren Minister Freiherr v. Altenstein, auf einem freundschaftlichen Fuße stand.
    Bei sorgfältiger Prüfung ergibt sich, daß der Königsberger Aufenthalt den wichtigsten Abschnitt im Leben Kleist’s bildet: erst dort, mit dem Eintritte in das Mannesalter, reifte er

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