Saemtliche Werke von Heinrich von Kleist (Illustrierte) (German Edition)
„Abendblätter“ knüpfte sich ein neues Aergerniß. K. hatte bis Gründung derselben auf die weitere Unterstützung der Regierung, an deren Spitze damals Hardenberg stand, gerechnet. Sie würde ihm vielleicht auch zu Theil geworden sein, wenn der in Wien zum Katholicismus übergegangene Adam Müller den hohen preußischen Beamten nicht als besonderer Anhänger Oesterreichs verdächtig gewesen wäre und sich später sogar mit der gegen die Reform wüthenden Junkerpartei verbündet hätte. Dieser maß alle Schuld Friedrich v. Raumer, der bei Hardenberg eine Vertrauensstellung hatte, bei und so entstand zwischen K. und Raumer eine Correspondenz, die, nachdem letzterer sich gerechtfertigt, mit erniedrigenden Entschuldigungen Kleist’s, der Bitte ihm die Redaction des „Kurmärkischen Amtsblattes“ anzuvertrauen und zum Theil berechtigten, aber immerhin mißlichen Entschädigungsansprüchen gegen den Staatskanzler endete. Raumer’s „Lebenserinnerungen und Briefwechsel“, der Brief Müller’s an Heeren in Hoffmann’s „Findlingen“, Kleist’s Brief an Fouqué vom 25. April 1811 und die auf diese Documente sich stützende ausführliche Entwickelung Wilbrandt’s geben über diese letzten Wirren in der litterarischen Laufbahn Kleist’s ausführliche Aufschlüsse. Friedrich v. Raumer mag, als Köpke ihm zu seinem 60jährigen Amtsjubiläum, am 8. December 1861, Heinrich v. Kleist’s politische Schriften mit einer besonderen Vorrede widmete, sich doch wol mit Wehmuth der strengen büreaukratischen Weise erinnert haben, mit welcher er, als junger Beamter, den Dichter des Prinzen von Homburg behandelt hat. –
Gegen den Herbst des Jahres 1811 trat plötzlich und zwar zum letzten Male ein Lichtschimmer für K. ein. Wie er Ulriken von Frankfurt aus in einem Briefe ohne Datum (dem 55. der Koberstein’schen Sammlung) mittheilt, hatte der König ihn „durch ein Schreiben im Militär angestellt“ und er machte sich übertriebene Hoffnung, entweder unmittelbar bei ihm Adjutant zu werden, oder eine Compagnie zu erhalten. Wie dieser Umschwung zu stande kam, ist bisher nicht ermittelt, aber es ist nicht unmöglich, daß Gneisenau, von dem man vermuthet daß er Gelegenheit hatte den glühenden Patriotismus Kleist’s aus ihm mitgetheilten politischen Aufsätzen kennen zu lernen, zu den stillen Beschützern Kleist’s gehört hat. Um sich zu einer kleinen Einrichtung die nöthigen Mittel zu verschaffen, reiste K. nach Frankfurt, dort kam es aber innerhalb der Familie zu so peinlichen Auftritten, daß er im tiefsten Innern verletzt, unrettbar der alten Selbstmordsucht verfiel. Die wichtigen Schriftstücke, welche über diese letzten Lebenstage des Dichters Licht verbreiten, waren selbst dem umfassenden und tiefen Werke Wilbrandt’s noch nicht erschlossen und sind erst durch Paul Lindau, dem der Nachlaß des Kriegsrathes Peguilhen zur Verfügung stand, in der „Gegenwart“ vom 2., 9., 16. und 23. August 1873 mit Umsicht und Scharfblick der Oeffentlichkeit übergeben worden. Hiernach hatte K. zu jener Zeit ein vertrautes Verhältniß zu seiner Cousine Marie v. Kleist, die selbst sehr unglücklich und kränkelnd, theils in Berlin, theils auf dem Lande lebte. Fast gleichzeitig hatte er durch Adam Müller die Frau des Generalrendanten der kurmärkischen Land-Feuer-Societät Adolphine Henriette Vogel, geb. Keber, kennen gelernt, die drei Jahre jünger als er, in körperlicher und geistiger Beziehung eine wahre Zierde ihres Geschlechtes gewesen sein soll. Sie litt, wie actenmäßig feststeht, an einer unheilbaren Krankheit, welche ihr schwärmerisches Gemüth bis zur Extase erregt haben mochte und soll K. einmal das Versprechen abgenommen haben, sie, die Unheilbare, wenn sie es verlange, zu tödten. Aus den letzten Briefen Kleist’s an Marie geht hervor, daß er selbst das Verhältniß zu Henriette als eine Untreue gegen erstere auffaßt; aber er bekennt ihr, „er habe sie nicht mit einer Freundin vertauscht die mit ihm leben, sondern die im Gefühl, daß er ihr ebenso wenig treu sein würde wie ihr, mit ihm sterben wolle.“ Diese und andere Briefstellen bekunden ein die Wirklichkeit vielleicht übertreffendes Ausschweifen des Geistes, während andere sich zur höchsten poetischen Schönheit erheben; so daß wir es hier mit einem inneren dramatischen Kampfe zu thun haben, wie er nur bei tief poetisch angelegten Naturen möglich ist. Sein Erscheinen unter den Verwandten in Frankfurt mit dem neuen Ansinnen auf Hülfe
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