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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Farbenbild hinter einer Glastür war der ganze Bruder, den ich zu lieben hatte. Sie können nicht fühlen, was Sie haben oder ich entbehre – jetzo scheidet sogar sein Widerschein von mir, und ich habe nichts mehr vom geliebten Bruder, keine Hoffnung, keinen Brief, kein Bild. – Ich vermisse dieses Porträt zwar seit meiner Rückkehr von Maußenbach; aber vielleicht ists schon länger weg; denn ich hatte mich bisher bloß einzurichten; vielleicht hab’ ichs selber mit unter die Bücher, die ich Ihnen gab, verpackt – Sie werden mich benachrichtigen. Ich weiß gewiß, in unserem Hause war noch ein zweites, etwas unähnlicheres Porträt meines Bruders; aber seit langem ists nicht mehr da.« etc.
     
     
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    Natürlich! denn der alte Röper hatt’ es publice versteigert, weil es das von Gustav war. – Aber wir wollen wieder ins stille Land unsern beiden Freunden nach.
    Sie mußten vor dem alten Schlosse vorbei, das wie eine Adams-Rippe das neue ausgeheckt, das seinerseits wieder neue Wasseräste, ein sinesisches Häuschen, ein Badhaus, einen Gartensaal, ein Billard u. s. w., hervorgetrieben hatte. Im neuen Schlosse wohnte die Residentin von Bouse, die diesen architektonischen Fötus das ganze Jahr nicht zweimal bewunderte. Hinter dem zweiten Rücken des Schlosses fing sich der englische Garten mit einem französischen an, den die Fürstin stehen lassen, um den Kontrast zu benützen oder um den zu vermeiden, in welchem sich ein brillantierter Gala-Palast neben die patriarchalische Natur im Schäferkleide postiert. Wer nicht vor den beiden Schlössern vorbei wollte: konnte durch ein Fichtenwäldchen in den Park gelangen und vorher in eine Klausnerei, deren Väter der alte Fürst und sein Favorit-Kammerherr gewesen waren. Beide waren in ihrem Leben nicht einen halben Tag allein gewesen, außer wenn sie sich auf einer Jagd oder sonst verirrten; – daher wollten sie doch allein sein und setzten deswegen (was fragten sie darnach, daß sie ein Plagiat und einen Nachdruck der vorigen Baireuther Eremitage veranstalteten?) neun Häuserchen aufs Papier, nachher auf den Tisch und endlich auf die Erde, oder vielmehr neun bemooste Klafter Holz. In diesen ausgehöhlten Vexier-Klaftern steckte sinesisches Ameublement, Gold und ein lebendiger Hofmann, wie man etwa in lebendigen Baumstämmen auf eine lebendige Kröte mit Erstaunen stößet, weil man nicht sieht, wo ihr Loch ist. Die Klafter umrangen eine Klause, die man – weil am ganzen Hof keine Seele zu einem lebendigen Einsiedler Ansatz hatte – einem hölzernen anvertrauete, der still und mit Verstand darin saß und so viel meditierte und bedachte, als einem solchen Manne möglich ist. Man hatte den Anachoreten aus der Scheerauischen Schulbibliothek mit einigen aszetischen Werken versehen, die für ihn recht paßten und ihn zu einer Abtötung des Fleisches ermahnten, die er schon hatte. Die Großen oder Größten werden entweder repräsentiert oder repräsentieren selber; aber sie sind selten etwas; andere müssen für sie essen, schreiben, genießen, lieben, siegen, und sie selber tun es wieder für andre; daher ist es ein Glück, daß sie, da sie zum Genuß einer Einsiedelei keine eigne Seele haben und keine fremde finden, doch hölzerne Geschäftträger, welche die Einsiedelei für sie genießen, bei Drechslern auftreiben; aber ich wünschte nur, die Großen, die nie mehr Langweile erleiden als bei ihrer Kurzweile, ließen auch vor ihre Parks, vor ihre Orchester, ihre Bibliotheken und ihre Kinderstuben solche feste und unbelebte Geschäft- und Himmelträger oder Genuß-Curatores absentis und Schönwetterableiter machen und hinstellen, entweder in Stein gehauen oder bloß in Wachs bossiert.
    In die Decke der Klause sollte (wie an der Decke der Grotte beim Kloster S. Felicita) hinlängliche Baufälligkeit, sechs Ritzen und ein paar Eidechsen, die daraus fallen, eingemalet werden. Der Maler war auch schon auf Reisen, blieb aber so lange darauf und aus, daß sich die Sache zuletzt selber hinaufmalte und gleich offnen Menschen nichts war, als was sie schien. Allein als die künstliche Einsiedelei sich zu einer natürlichen veredelt hatte, war sie längst von allen vergessen. Ich halt’ es daher mehr für Persiflage als für reine Wahrheit, daß der Kammerherr – wie so viele Oberscheerauer sagten – Holzwürmer hätte zusammenfangen und in den Stuhl des Eremiten impfen lassen, damit die Tiere statt der Haarsägen und Trennmesser daran arbeiteten und den Sessel

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