Saemtliche Werke von Jean Paul
vermocht! –
Überhaupt versteck’ ichs vergeblich, wie sehr es meiner Historie noch mangelt an wahrem Mord und Totschlag, Pestilenz und teuerer Zeit und an der Pathologie der Litanei. Ich und der Bücherverleiher finden hier das ganze weiche Publikum im Laden, das aufpasset und schon das weiße Schnupftuch – dieses sentimentalische Haarseil – heraushat und das Seinige beweinen will und abwischen und doch bringt keiner von uns viel Rührendes und Totes… Von der andern Seite bleibt mir wieder die besondere Not, daß das deutsche Publikum seinen Kopf aufsetzt und sich nicht von mir ängstigen lassen will; denn es bauet darauf, ich könne als bloßer platter Lebensbeschreiber es zu keinem Morde treiben, ohne welchen doch nichts zu machen ist. Aber ist denn nur der Romanen-Fabrikant mit dem Blut- und Königsbann beliehen, und ist nur sein Druckpapier ein Greveplatz? – Wahrhaftig Zeitungschreiber, die keine Romane schreiben, haben doch von jeher eingetunkt und niedergemacht, was sie wollten, und mehr, als rekrutieret war – Geschichtschreiber ferner, diese Großkreuze unter den gedachten Kleinkreuzen (denn aus 100 Zeitung-Annalisten extrahier’ ich höchstens einen Geschichtschreiber als Absud), sind fortgefahren und haben so viel umgebracht, als der Plan ihrer historischen Einleitungen, ihrer Abrégés, ihrer Kaiserhistorien und Reichsgeschichten durchaus erforderte…. Kurz ich bin nicht zu entschuldigen, wenn ich hier gar nichts tot und interessant mache; und ich erschlage am Ende aus Not einen oder ein paar Lakaien, die noch dazu außer Scheerau kein Henker kennt.
Ich fahre aber in meiner Geschichte fort und rücke aus des Pestilenziarius Nouvelle à la main folgenden Artikel in meine für mehre Weltteile geschriebene Nouvelle à la main herein:
»Es bestätigt sich aus Maußenbach, daß der dasige Bediente Robisch Todes verfahren ist wie seine Mäuse. Sein Tod hat zwei medizinische Schulen gestiftet, wovon die eine verficht, sein Sekten stiftender Tod komme von zu vielem Prügeln, und die andre, vielmehr von zu wenigem Essen.«
Es ist nicht ein Wort daran wahr; der Mensch hat zwar Striemen und Appetit, lebt aber noch dato, und der Zeitungartikel ist erst seit einer Minute von mir selber gemacht worden. Das kühne Publikum ziehe sich aber daraus auf immer die Witzigung, daß es keinen Lebensbeschreiber reize und aufbringe, weil auch der durch die Kelchvergiftung seines Dintenfasses und durch das Rattenpulver seiner Streusandbüchse Robische und Fürsten und jeden umwerfen und auf den Gottesacker treiben könne; es lerne daraus, daß ein rechtschaffenes Publikum stets unter dem Lesen beben und fragen müsse: »Wie wirds dem armen Narren (oder der armen Närrin) ergehen im nächsten Sektor?« – –
Vierundzwanzigster oder XXI. Trinitatis-Sekto r
Oefels Intrigen – die Infammachung – der Abschied
Schlecht genug ergehts ihm, wenn das fragende Deutschland anders unsern Gustav meinte. Oefel ist daran schuld. Ich will aber dem erschrocknen Deutschland alles eröffnen; die wenigsten darin wissen, warum dieser ein Romanschreiber und ein Legationrat ist.
Kein empfindsamer Offizier – im Kadettenhause trug er Uniform – hat weniger Kugeln und mehr Hemden und Briefe gewechselt als Oefel. Letzte wollt’ er an alle Leute schreiben; denn seine Briefe ließen sich lesen, weil er selber las, und zwar belletristische Sachen, die er noch dazu nachmachte. Er war nämlich ein schöner Geist, hatte aber keinen andern. Sämtliche französische Buchhändler sollten eine närrische Dankadresse an ihn erlassen, weil er ihr sämtliches Zeug einkaufte – sogar gegenwärtige Lebensbeschreibung, worin er selber steht, wird einmal wieder bei ihm stehen, wenn er von ihrer Ausgabe und von ihrer Übersetzung ins Französische hört. Sich selber, Leib und Seele nämlich, hatt’ er schon in alle Sprachen übersetzt aus seinem französischen Mutter-Patois. Die schönen Geister in Scheerau (vielleicht auch mich) und in Berlin und Weimar verachtete der Narr, nicht bloß weil er aus Wien war, wo zwar kein Erdbeben einen Parnaß, aber doch die Maulwurfs-Schnäuzchen von hundert Broschüristen Duodez-Parnäßchen aufstießen und wo die daraufstehenden Wiener Bürger denken, der Neid blicke hinauf, weil der Hochmut herunterguckt – sondern er verachtete uns sämtlich, weil er Geld, Welt, Verbindungen und Hofgeschmack hatte. Der Fürst Kaunitz zog ihn einmal (wenns wahr ist) zu einem Souper und Ball, wo es so zahlreich und
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