Saemtliche Werke von Jean Paul
nachgespiegelt: »O blicke her;« (sagte er in einem andern Tone) »ich soll diesem gemalten Fremden so ähnlich sehen, sein Gesicht lächelt in einem fort, schau aber in meines!« – und er richtete es auf, und weit offne, aber in Tränen schwimmende Augen und zuckende Lippen waren darauf. – – Die Flut der Liebe nahm beide in fester Umfassung hinweg und hob sie – und als Amandus erst darnach seine halbeifersüchtige Frage: »er habe geglaubt, das Porträt sei Gustavs« mit Nein und mit der ganzen Geschichte beantwortet erhielt: so tat es keinen Schaden; denn die Bewegungen seines Herzens zogen schon wieder im Bette der Freundschaft hin.
Nach solchen Erweiterungen der Seele bietet eine Stube keine angemessenen Gegenstände an; sie suchten sie also unter dem Deckengemälde, von dem nicht ein gemalter, sondern ein lebendiger Himmel, nicht Farbenkörner, sondern brennende und verkohlte Welten niederhängen, und gingen hinaus ins stille Land , das keine halbe Stunde von Scheerau liegt. Ach, sie hättens nicht tun sollen, wenn sie ausgesöhnet bleiben wollten!
Willst du hier beschrieben sein, du stilles Land, über das meine Phantasie so hoch vom Boden und mit solchem Sehnen hinüberfliegt – oder du stille Seele, die du es noch in der deinigen bewachst und nur ein irdisches Bild davon auf die Erde geworfen hast? – Keines von beiden kann ich; aber den Weg will ich nachzeichnen, den unsre Freunde dadurch nahmen, und vorher teil’ ich noch etwas mit, das den sonderbaren Ausgang ihres Spaziergangs gebar.
Ich wußte ohnehin nicht recht, wohin ich den Brief tun sollte, welchen Beata sogleich nach meiner und ihrer Rückkehr von Maußenbach an meine Schwester schrieb. Sie war in den wenigen Tagen, die sie mit meiner Philippine bei der Residentin zugebracht, ihre Freundin geworden. Die Freundschaft der Mädchen besteht oft darin, daß sie einander die Hände halten oder einerlei Kleiderfarben tragen; aber diese hatten lieber einerlei freundschaftliche Gesinnungen. Es war ein Glück für meine Schwester, daß Beata keine Gelegenheiten hatte, ihrem sie halb bestreitenden Widerschein von Gefallsucht zu begegnen; denn Mädchen erraten nichts leichter als Gefallsucht und Eitelkeit, zumal an ihrem Geschlecht.
»Liebe Philippine,
ich habe bisher immer gezögert, um Ihnen einen recht muntern Brief zu schreiben – Aber, Philippine, hier mach’ ich keinen. Mein Herz liegt in meiner Brust wie in einer Eisgrube und zittert den ganzen Tag; und doch waren Sie hier so freudig und niemal betrübt als bei unserem Abschiede, der fast so lange währte wie unser Beisammensein: ich bin wohl selber schuld? Ich glaub’ es manchmal, wenn ich die lachenden Gesichter um die Residentin sehe oder wenn sie selber spricht und ich mir in ihrer Stelle denke, was ich ihr mit meinem Schweigen und Reden scheinen muß. Ich darf nicht mehr an die Hoffnungen meiner Einsamkeit denken, so sehr werd’ ich von den Vorzügen fremder Gesellschaft beschämt – Und wenn mich eine Rolle, die für mich zu groß ist, freilich niederdrückt: so weiß ich mit nichts mich aufzurichten, als daß ich ins stille Land wegschleiche: – da hab’ ich süßere Minuten, und mir gehen oft die Augen plötzlich über, weil mich da alles zu lieben scheint und weil da die sanfte Blume und der schuldlose Vogel mich nicht demütigen, sondern meine Liebe achten; – dann seh’ ich den Geist der trauernden Fürstin einsam durch seine Werke wandeln, und ich gehe mit ihm und fühle, was er fühlet, und ich weine noch eher als er. Wenn ich unter dem schönsten blauesten Tage stehe: so schau’ ich sehnend auf zur Sonne und nachher rings um den Horizont herum und denke: ›Ach wenn du deinen Bogen hinabgezogen bist, so hast du doch auf keine Stelle der Erde geschienen, auf der ich ganz glücklich sein könnte bis zu deinem Abendrot; – und wenn du hinunter und der Mond herauf ist: so findet er, daß du mir nicht viel gegeben.‹ … Teure Freundin! verübeln Sie mir diesen Ton nicht; schreiben Sie ihn einer Krankheit zu, die mich allemal hinter diesem Vorboten anwandelt. O könnt’ ich Sie mit meinem Arme an mich ketten: so wär’ ich vielleicht auch nicht so. Glückliche Philippine! aus deren Munde schon wieder der Witz lächelnd flattert, wenn noch über ihm das Aug’ voll Wasser steht, wie die einzige Balsampappel in unserem Park Gewürzdüfte ausatmet, indes noch die warmen Regentropfen von ihr fallen. – Alles ziehet von mir weg, Bilder sogar; ein totes stummes
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