Saemtliche Werke von Jean Paul
früher antik machten – wahrhaftig das Gewürm beißet jetzo Stuhl und Mönch um! Noch lächerlicher ists, wenn man einem vernünftigen Mann weismachen will, anfangs hätte der architektonische Kammerherr ein künstlich laufendes Räderwerk mit einem Mausfell kuvertiert und papillotiert, damit die Kunst-Eidechse oben eine Korrespondenz-Maus unten hätte und so für Symmetrie hinten und vorn gesorgt wäre, hernach hätte der Herr sich der Natur genähert und über eine lebendige rennende Maus ein künstliches zweites Mausfell als Überrock und Frack gezogen, damit Natur und Kunst ineinander steckten – lächerlich! Mäuse fahren zwar stets um den Einsiedler herum, aber sicher nur in einer Unterzieh-Haut….
Unsere zwei Freunde sind weit von uns und schon im sogenannten langen Abendtal des Parks, durch welches aus der untergehenden Sonne ein schwebender Goldstrom fiel. Am westlichen, sanft erhöhten Ende des Tales schienen die zerstreuten Bäume auf der zerrinnenden Sonne zu grünen; am östlichen sah man über die Fortsetzung des Parks hinüber bis ans glühende Schloß, auf dessen Scheiben sich die Sonne und das Abend-Feuerwerk verdoppelten. Hier sah die alte Fürstin allemal den ersten Untergang der Sonne; dann hob sie ein sanft aufgewundner Weg auf das hohe Gestade dieses Tals, wo der Tag noch in seinem Sterben war und noch einmal mit dem brechenden Sonnen-Auge väterlich den großen Kinderkreis anblickte, bis ihm seine Nacht das Auge zudrückte und diese in ihren mütterlichen Schoß die verlassene Erde nahm.
Gustav und Amandus! hier versöhnet euch noch einmal – der rote Sonnenrand steht schon auf dem Rande der Erde – das Wasser und das Leben rinnen fort und stocken unten im Grabe – nehmet euch an den Händen, wenn ihr auf das zerstörte Ruhestatt hinüberschauet und auf seine stehende Kirche, das Bild der unglücklichen Tugend – oder wenn ihr auf die Blumeninseln blickt, wo jede Blume auf ihrem grünen Weltteilchen einsam zittert und ihr kein Verwandter entgegenschwankt als ihr gemalter Schatten im Wasser – drückt euch die Hände, wenn euere Augen fallen auf das Schattenreich , wo heute Licht und Schatten wie Leben und Schlafen nebeneinander und ineinander zitternd flatterten, bis die schwarze Schattenflut über allem, was an der Erde blinket, steht und den Tod nachspielt – und wenn ihr an des stummen Kabinetts dreifachem Gitter Alphörner und Äolsharfen lehnen sehet: so müssen euere Seelen die Harmonien im Einklang nachbeben…. Es ist eine elende rhetorische Figur, die ich aufstelle, daß ich hier so lange an- und zugeredet habe: sind denn nicht die zwei Freunde in einem größern Enthusiasmus als ich selbst? Ist nicht Amandus über freundschaftliche Eifersucht emporgehoben und hält eigenhändig das heutige angeredete Porträt des unbekannten Gustavischen Freundes vor sich hin und sagt:»Du könntest der Dritte sein«? Ja legt er nicht in der Begeisterung das Bild ins Gras, um mit der linken Hand Gustav zu fassen und mit der rechten auf ein Zimmer des neuen Schlosses zu deuten, und gesteht er nicht: »Hätt’ ich auch in der rechten das, was ich liebe: so wären meine Hände, mein Herz und mein Himmel voll, und ich wollte sterben«? Und da man nur in der größten Liebe gegen einen Zweiten von der gegen einen Dritten sprechen kann: können wir unserem Amandus mehr ansinnen, der hier auf dem Berge seine Verliebung in Beaten bekennt? – –
Das Unglück war, daß sie eben selber heraufstieg, um am Sterbebette der Sonne zu stehen – noch schöner als die, die ihre Augenlust war – immer langsamer gehend, als wollte sie jeden Augenblick still stehen – mit einem Auge, das erst sah, nachdem sie es einigemal schnell auf- und zugezuckt – kein lebender europäischer Autor könnte Amandi Entzückung vormalen, wenn es dabei geblieben wäre; – aber ihr kleines Erstaunen über die zwei Gäste des Berges floß plötzlich in das über den dritten auf dem Grase über. Eine hastige Bewegung gab ihr das brüderliche Bild, und sie sagte, unwillkürlich zu Amandus gekehrt. »Meines Bruders Porträt! Endlich find’ ichs doch!« – Aber sie konnte nicht vorbeigehen, ohne aus jenem weiblichen feinen Gefühl, das in solchen Manual-Akten zehn Bogen durchhat, ehe wir das erste Blatt gelesen, zu beiden zu sagen: »sie dankte ihnen, wenn sie das Bild gefunden hätten« – Amandus bückte sich tief und erboset, Gustav war weg, als stände sein Geist auf dem Berg Horeb und hier bloß der Leib – sie
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