Saemtliche Werke von Jean Paul
Kanikularferien Arbeit-Windstille – im Winter könnte man wegen der Kälte Frostferien erlauben und ebensogut einen Winterschlaf der Geschäfte als die Sommer-Sieste derselben in Gebrauch setzen, wie denn auch die bekannten Tiere beider Extreme wegen aus Scheu vor ihrer Wasserscheu zu Hause bleiben müssen – mithin konnte der Minister leichter mit dem Fürsten abkommen, und beide waren länger da. Ohne mich würde der Leser nie erfahren, warum das fürstliche Dasein Anlaß war, daß Beata das stille Land gegen ihr stilles Zimmer vertauschte. So wars: Unser Fürst ist zwar ein wenig hart, ein wenig geizig und weidet seine Herde öfter mit dem Hirtenstabe als mit der Hirtenflöte ; aber er wird ebensogern ein Schäfer in einem schönern Sinne und geht gern vom Throne, wo ihn die Landeskinder anbeten, zu jeder Staffel desselben herunter, um selber ein schönes anzubeten – er kann zwar das Volk, aber keine Schöne seufzen hören; er wendet emsiger eine gesellschaftliche Verlegenheit als eine Teuerung ab; er bleibet lieber den Landständen als seinem Gegenspieler etwas schuldig und bauet keine abgebrannte Stadt, aber eine eingerissene Frisur willig wieder auf. Kurz der Landesvater und der Gesellschafter sind in seinen Herzkammern Wandnachbaren, aber Todfeinde. Dieser Gesellschafter subdividierte sich wieder in zwei Liebhaber, in den kurzen und in den langen. Seine lange oder weitergrünende Liebe besteht in einer kalten verachtenden Galanterie und in dem Vergnügen an der Feinheit, an dem Witze und an der Grazie, womit er und der geliebte Gegenstand ihre gegenseitigen Siege zu verzieren wissen. Seine kurze Liebe besteht in seinem Vergnügen an jenen Siegen, insofern sie jene Dekoration nicht haben. Damit man dieses unschuldige Pasquill auf einen nicht für Satire auf die meisten Großen halte, so will ich so fortfahren –
Lange Liebe hegte er gegen die Residentin, von deren Gunstbezeugungen man nicht sagen konnte: das ist die unschuldigste – die erste – die letzte. Eine solche Immobiliarliebe durchflocht er zu gleicher Zeit mit hundert kursorischen Sekunden-Ehen oder Liebschaften, und über dem schleichenden Monatzeiger der langen fixen Liebe oder Ehe wirbelte sich der fliegende Terzienweiser der abbrevierten Ehen unzähligemal um.
Darwider hatte die Residentin nichts – sie konnte auf dieselbe Weise durchflechten – darwider hatte er nichts.
In diesen kurzen Ehen tun die Großen vielleicht manches Gute, über welches Moralisten zu leicht wegsehen, die lieber ihre Druckbögen als die Geburtlisten voll haben wollen. Gleich jungen Autoren lassen junge Große ihre ersten Ebenbilder anonym oder unter geborgten Namen erscheinen; und ich kann zu Montesquieus Bemerkung, daß das Namengeben der Bevölkerung nütze, weil jeder seinen fortzupflanzen trachte, nichts setzen als meine eigne, daß die Namenlosigkeit ihr noch besser forthelfe. In der Tat geht es hierin den erhabensten Personen wie den griechischen Künstlern, die unter die schönsten Statuen , womit ihre Hand Tempel und Wege ausschmückte, ihren Vaternamen nicht setzen durften; indessen findet der pfiffige Phidias auch seine Nachahmer, der statt des Namens sein altes Gesicht an der Statue Minervens einhieb.
Der Fürst hatte im Sinn, Beaten, die ihm zu viel Unschuld und zu wenig Koketterie zu haben schien, eine kurze Liebe anzubieten. Ihr Widerstand machte, daß er auf eine längere dachte. Unter den Augen der Residentin waren vor ihm alle ihre Sinne gesichert, nur das Ohr nicht – im Park keiner. Die Residentin, die wußte, daß ihr Geist sich für jede Minute in einen neuen Körper umwerfen könne, indes ihre Nebenbuhlerin nicht mehr hatte als einen, in welchem noch dazu weiter nichts als Unschuld und Liebe steckte, diese sah die ganze Sache mit keinen andern Augen an als mit satirischen. So weit wars, als der Fürst in dem Hundtags-Interregnum kam und am andern Morgen statt des Zepters nichts in der Hand hatte als den Frisierkamm und den Kopf der Residentin. Er hatte es an seinem Hofe Mode gemacht; jeder Kammerherr bis auf den Hofdentisten herunter hatte seitdem seine preteuse de tête, um an ihrem Kopfe so viel zu lernen, als er am Kopfe einer schönern preteuse auszuüben hatte – Es war ebenso notwendig, daß man frisierte, als daß man frisiert war.
Ich könnt’ es in der Note sagen, daß eine preteuse de tête ein Mädchen in Paris ist, das an einem Tage hundertmal frisieret wird, weils die Innung daran lernen will – unmöglich kann es
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