Saemtliche Werke von Jean Paul
die Absicht ihres Rats – »nehmen Sie eines, das Ihnen so lange sitzt, als der Maler selber sitzt.« – Oefels Eitelkeit mit Gustavs Voreiligkeit hätten hier eine dumme Höflichkeit zusammenbringen können – »Hier! das darin mein’ ich« – und sie wies auf einen Spiegel; jetzt wollt’ er doch mit der palingenesierten Höflichkeit herausfahren, ihre Gestalt sei über seinem Pinsel, als sie zum Glück dazufügte – »Malen Sie sich und zeigen Sie mirs.« – Über eine zufällig verschluckte Sottise wird man ebenso rot wie über eine herausgestoßene – du schöner, rotglühender Gustav!
Daher schreib’ ich hier für Kinder, die noch nicht auf Winterbällen getanzt, diesen Titel aus der Kleiderordnung heraus: Leuten, die euch eine Erklärung geben wollen, eine in den Mund zu legen, ist ebenso unhöflich als mißlich.
»Ich will Ihnen nur zeigen warum«, sagte sie und ging mit ihrer Hand den halben Weg zu seiner und wieder zurück und nahm ihn mit durch ihr Lesekabinett, durch ihr Bücherzimmer in ihr Bilderkabinett. Wenn sie ging: konnte man selber kaum gehen; weil man stehen wollte, um ihr nachzusehen. Bilder waren neben ihr noch schwerer anzuschauen. Sie wies ihm im Kabinett eine bunte Kette Abbilder, welche die berühmtesten Maler von sich mit eigner Hand gemalet hatten und welche die Residentin aus der Galerie zu Florenz kopieren lassen. »Sehen Sie, wenn Sie ein berühmter Maler würden – und das müssen Sie werden –, so hätt’ ich Ihr Porträt noch nicht in meiner Sammlung.« Auf dem Fenster lag der steilrechte weibliche Sonnenschirm, ein grüner Spazierfächer, den er vor einem gesessenen Gericht für Beatens ihren eidlich erkläret hätte – Einige Heuwägen von Wouvermans Gras , einige Zentner von Salvatore Rosas Felsen und eine Quadratmeile von Everdingens Gründen hätt’ er hingeschenkt für den bloßen Fächer.
Aber das ihm abgedrungne Versprechen, sich selber zu malen, wurde einem Natursohne wie er, welchem die Kunst noch keine Eitelkeit gegeben, zu erfüllen äußerst schwer. Hundert jetzige Jünglinge zeigen mehr Kraft, sich in einer Gesellschaft vor dem Spiegel zu besehen, als er hatte, es in der Einsamkeit zu tun. Er fürchtete ordentlich, er begehe in einem fort die Sünde der Eitelkeit.
Auf diese Weise wird mein Held, der sich aus dem Spiegel zu holen sucht, von drei Zeichenmeistern auf einmal besehen und gemalet: von dem Lebensbeschreiber oder mir – vom Romancier oder Herrn von Oefel, der in seinen Roman ein Kapitel setzt, worin er von Gustavs Liebe gegen die Bouse anonymisch handelt – und vom Maler und Helden selber. So muß er denn wohl wohl getroffen werden.
Von Oefels Roman »Großsultan« erscheinet in der Hofbuchhandlung künftige Messe nichts als das erste Bändchen; und es wird dem minorennen Publikum, das unsre meisten Romane lieset und macht, angenehm zu hören sein, daß ich in den Oefelschen Großsultan ein wenig geblickt und daß darin die meisten Charaktere nicht aus der elenden wirklichen Welt, die man ja ohnehin alle Wochen um sich hat und so gut kennt wie sich selber, sondern meistens aus der Luft gegriffen sind, diesem Zeughaus und dieser Baumschule des denkenden Romanmachers; denn wenn (nach dem System der Dissemination) die Keime des wirklichen Menschen neben dem Samenstaub der Blumen in der Luft herumflattern und aus ihr, als dem Repositorium der Nachwelt, von den Vätern müssen niedergeschlagen und eingeschluckt werden: so müssen Autoren noch vielmehr die Zeichnungen von Menschen aus der Luft, wo alle epikurische Abblätterungen wirklicher Dinge fliegen, sich holen und auf das Papier schmieden, damit der Leser nicht brumme.
Einige Tage war die von Bouse nicht zu sprechen, als das Original seine Kopie zu ihr tragen wollte. Endlich schickte sie nach beiden. Sein Gesicht wurde dem gemalten sehr unähnlich, als sein Blick bei dem Eintritt auf seine physiognomische Schwester fiel, die mit der kleinen Bouse am Klaviere sang, auf Beata. Wir armen Teufel, die wir nicht an Stammbäumen, sondern von Stammgebüsch herauswuchsen, werden von vier Wänden so nahe aneinander gerückt, daß wir uns warm machen; hingegen die veloutierten Wände der Großen halten ihre Insassen so sehr als Stadtmauern auseinander, und es ist darin wie in Wirtzimmern, wo unser Interesse nur einige vom ganzen Haufen ablöset. Beata fuhr also fort; und er fing an: für ihn wars so viel, als säh’ er sie durch das Fenster im Garten. Sein Porträt fand die günstigste
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