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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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unter ihrer Hirnschale so viele Veränderungen und Versuche geben als über derselben – die Koalition und Einkindschaft der unähnlichsten Frisuren ist so groß, Dappieren und Auskämmen kommen hintereinander so schnell, oder Aufbauen und Umreißen, daß es nur auf dem Kopfe der Göttin der Wahrheit noch ärger zugehen kann, den die Philosophen frisieren und aufsetzen, oder in ganzen Staatkörpern, an denen die Regenten sich üben.
    Am nämlichen Morgen, wo unserer die Regentin coiffierte, sagte er der träumerischen Beata, am andern Tage komm’ er mit dem Friseur zu ihr. Die Residentin sagte nichts als: »Die Männer können alles, aber das Leichte selten; sie wirren leichter zehn Prozesse als zehn Haare ein.« Beata konnte nicht reden – nachts konnte sie nicht schlafen. Ihr ganzes Innere entsetzte sich vor des Fürsten Frostgesicht und stechendem Feuerblick, der (so wenig sie es deutlich dachte) die Präliminarsiege im neuen Schlosse so abzukürzen brannte, als wär’ er im Palais royal. Am andern Morgen hatte sich ihr Wunsch, krank zu werden, beinahe in die Überzeugung, es zu sein, verwandelt. Sie sah mit lebenssatter Leerheit zum Fenster in das stille Land hinaus, in dem zwei Kinder des Hofgärtners eine bunte Glaskugel herumkegelten, als der Kanarienvogel, der auf den Achseln des Fürsten wohnte und der ihn wie eine Mücke umflog, von seinem Kopf, der durch sechs Fenster von ihr geschieden war, auf ihren geflattert kam. Sie zog den Kopf mit dem Vogel hinein – aber auch mit dem Inhaber des Tiers, der sogleich ohne Bedenken kam und sagte: »Bei Ihnen hat man das Schicksal, zu verlieren – aber meinem Vogel können Sie die Freiheit nicht nehmen«. Leuten seiner Art entfließet dies alles ohne Akzent; sie reden mit gleichem Tone vom Sternen- und vom Kutschen-Himmel und von der Bewegung beider.
    Ohne Umstände wollt’ er ihr den Pudermantel umtun; sie nahm ihn aber aus andern Rücksichten selber um und sagte, sie wäre schon für den ganzen Tag aufgesetzt bis aufs Pudern. Allein sie mochte ihren Weigerungen immerhin die schönsten Gestalten umgeben, die ihr sein Stand und die von ihrer Mutter anerzogene Hochachtung gegen sein Geschlecht befahlen: am Ende sah sie, sein Widerlegen sei nicht viel besser als sein Frisieren. Als er das letzte anfing und so nahe vor ihr stand, sah sie wieder das Gegenteil. Jedes Haar wurd’ an ihr zu einem Fühlfaden, und ihr war, als berührte er ihre wunden Nerven, als ginge mit ihm eine flammende Hölle um sie. Auf einmal quoll ihre Bangigkeit, nach den Gesetzen der weiblichen Natur, von der mittlern Stufe zur höchsten auf – ich möchte wissen, obs von seinen eigennützigen Stellungen kam, die ihm nichts halfen, oder von einem Kusse, als der Einnahme der Benefizkomödie, die er zu seinem Besten aufführte, oder von ihrem Blick auf die Pyramide des Eremitenbergs, der ihre zagende Brust mit dem Bilde und Ebenbild ihres Bruders überfüllte – genug sie sprang fieberhaft auf, und nach den Worten: »sie hätte so gewiß versprochen, der Residentin den Hut aufsetzen zu helfen, und wäre noch hier!« erwartete sie gewiß, daß ihn dieser demütig-stolze Vorwurf forttriebe. Er war nicht fortzutreiben. Dieses Mißlingen zerriß ihre zarten Kräfte, und sie lehnte sich wankend mit dem Arme und frisierten Kopfe an die Tapete. Er, vielleicht gelangweilt oder froh, sie an seine Nachbarschaft gewöhnt zu haben, nahm seinen Vogel und sie und führte sie selber zur Residentin; hier holte er mit ihr das Belachen der Benefizkomödie nach und so fort.
    Indessen hatten sich dennoch die Qualen des äußern Kopfs in die Migräne des innern aufgelöset; sie blieb von der Tafel und – solang’ er dasmal da war – auch aus dem Parke.
    Welches letzte zu erweisen nicht sowohl als zu erklären war.

Achtundzwanzigster oder Simon Judä-Sekto r
     
    Gemälde – Residentin
    Vorgestern (den 26. Oktober) war dein Namentag, Amandus! Hast du wohl in deinem Leben einen mit freudigen Augen gefeiert? Hast du je am Ende eines Jahrs gesagt: möge das neue ebenso sein? – Ich will nicht darauf antworten, um nicht trauriger zu werden….
    Gustav sah nichts mehr im Garten, als was er nicht suchte, den Fürsten und dergleichen; er trug unnötiges, d. h. verliebtes Bedenken, sich bei jemand über Beatens Unsichtbarkeit zu erkundigen – bei den zwei Gärtners-Kindern ausgenommen, die nichts wußten, als daß Beata, wie er, noch immer mit ihnen tändle und sie beschenke. Vielleicht gab sie ihnen, weil er

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