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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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ihnen gab; denn er gab ihnen, weil sie es tat. Die einzigen Reliquien von ihr, ihre Spazierwege, zogen ihn desto öfter an sich. O wäre doch der Kies weicher oder das Gras länger gewesen, damit beide ihm den matten Abriß einer Spur, daß sie dagewesen, aufgehoben hätten; so würde dieser Dornengarten seiner Unsichtbaren seinen Wünschen noch größere Flügel, und seiner Wehmut größere Seufzer gegeben haben. Denn ich muß es nur einmal dem Leser und mir gestehen, daß er jetzt in jenem schwärmerischen, sehnenden, träumenden Zustand war, der vor der erklärten Liebe ist. Dieser Traumflor muß über ihm gelegen haben, da er einmal statt des Schlangenbachs im Abendtal , den er zeichnen wollte, die schöne Statue der Venus, die aus diesen Wellen gezogen schien, abgerissen hatte; und zweitens, da er nicht sah, wer ihn sah – die Residentin. Er kam ihr vor wie ein schönes Kind, das fünf Fuß hoch gewachsen ist; er konnte mit allen seinen innern Vorzügen noch nicht imponieren, weil auf seinem Gesicht noch zu viel Wohlwollen und zu wenig Welt geschrieben war. Mit jener scherzhaften Koketten-Freimütigkeit, die die erstgeborne Tochter der Koketten-Geringschätzung des männlichen Geschlechts ist, sagte sie: »Ich geh’ Ihnen für die Zeichnung das Original « und nahm die erste und besah sie mit schöner (über etwas anders) denkenden Bewunderung. Oefel, dem ers erzählte, schalt ihn, daß er nicht fein gesagt hatte: »Welches Original?« Denn er hatte zur lebendigen Venus nichts gesagt.
    Er war es auch nicht imstande; denn sie stand vor ihm mit allen Reizen, die einer Juno bleiben, wenn man ihr die holde Farbe der ersten Unschuld nimmt, mit ihrem Plümagen-Walde, den ihr in Unterscheerau hundert nachtragen, weil sie mit wenigen meiner Leserinnen, die auch mehr Federn aufsetzen , als sie in ihrem Leben Federn schließen werden, so viel herausgebracht haben, daß jede Juno eine Göttin und jede Göttin eine Juno sei und daß man Damenköpfe und Klaviere stets bekielen müsse.
    Sie fragte ihn nach dem Namen seines Zeichenmeisters (des Genius); seinen eignen sagte sie ihm selbst. Sie konnte Achtung sich erwerben, bei allen ihren Fehltritten, und ihre Sünden und der Teufel schienen ihr nur als Kammermohren nachzutreten; ihr Gesicht wie ihr Benehmen trug das innere Bewußtsein ihrer nachgebliebnen Tugenden und ihrer Talente. Gleichwohl merkte sie an der scheuen Ehrfurcht, die Gustav weniger ihrem Stande und Werte als ihrem Geschlecht erwies, daß er wenig Welt habe. Sie verließ alle Umwege und ging ihn geradezu um eine Abzeichnung des ganzen Parks für ihren Bruder in Sachsen an. Ich nenne das Bitte, was sie eigentlich allemal im scherzhaften Tone einer Kabinettordre an Männer komponierte – und man konnte ihren weiblichen Ukasen nichts entgegensetzen als männliche.
    Eine Frau trage dir nur einmal ein Geschäft auf: so bist du mit Leib und Seele ihr; alle deine sauern Tritte, alle deine Mühwaltungen für sie legen sich an ihrem Bilde, das du an die Beinwände deines Kopfes ausgebreitet, als Reize an. Eine retten – rächen – lehren – schützen ist fast nicht viel besser (bloß ein wenig) als sie schon lieben. Gustav hörte nie eine willkommnere Bitte. Den Park riß er in kurzem ab, und er konnte den Vormittag kaum erwarten, an dem er ihn überreichen durfte. Wir wissen alle, was er in der Residentin Zimmer noch außer der Residentin zu erblicken suchte – aber alles, was er außer ihr da fand, war die kleine Elevin (Laura) der abwesenden Beata am Silbermannischen Klavier.
    Die Residentin heftete einen langen Blick in die Zeichnung. »Haben Sie« (sagte sie) »Stücke von unserem Hofmaler gesehen? Sie sollten sein Schüler werden und er Ihrer – er hat noch kein schönes Porträt gemalt und noch keine schlechte Landschaft – Sie machen einen schönern Fehler und geben dem Bewohner, was Sie der Landschaft nehmen – in Ihrer Zeichnung sind die Statuen schöner als der Garten – – behalten Sie Ihren Fehler und verschönern Sie Menschen« und sah ihn an. Meines geringen artistischen Erachtens – denn man ließ noch keines aller meiner Stücke als Akzessist in eine Bildergalerie, auch suche ich mit mehr Ehre solche Ausstellungen lieber öffentlich zu rezensieren als zu bereichern – ist gerade das Gegenteil wahr, und mein Held macht (gleich seinem Biographen) weit bessere Landschaften als Porträte. – »Versuchen Sie es«, fuhr sie fort, »mit einem lebendigen Original« – er schien verlegen über

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