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Saemtliche Werke von Jean Paul

Saemtliche Werke von Jean Paul

Titel: Saemtliche Werke von Jean Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Paul
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Grund, welchen der Doktor Beaten ins neue Schloß mitbrachte, war ihre Mutter: ohne sie hätte sie ihre scheuen, politischen und weiblichen Besorgnisse schwerlich überwältigt.
    Sie kamen unter Gebeten in dem Sterbezimmer an, dieser Sakristei eines unbekannten Tempels, der nicht auf dieser Erde steht. Ich fahre fort, obgleich hier so manches meinem Herzen und meiner Sprache zu groß wird…. Als der Kranke die Geliebte seines sterbenden Herzens sah: so schimmerten seine untergegangnen Jugendtage mit ihren goldnen Hoffnungen tief unter dem Horizont hinauf wie das Abendrot der Juniussonne gegen Mitternacht, er drückte dem schönen Leben noch einmal die Hand, vom Hauch der letzten Freude glimmten noch einmal seine blassen Wangen an, und der Engel der Freude ließ ihn am Seile der Liebe langsam ins Grab hinab. – Ein Sterbender sieht die Menschen und ihr Tun schon in einer tiefen Entfernung verkleinert; ihm sind unsre kleinen Höflichkeitregeln wenig mehr – alles ist ihm ja nichts mehr. Er bat, ihn mit Gustav und Beata allein zu lassen; seine Seele hielt noch den sich niederbeugenden Körper; mit einer abgebrochnen, aber genesenen Stimme redete er das bebende Mädchen an: »Beata, ich werde sterben, vielleicht heute Nacht – in meinen schönern Tagen hab’ ich dich geliebt, du hast es nicht gewußt – ich gehe mit meiner Liebe in die Ewigkeit – O Gute! reiche mir deine Hand« (sie tats) »und weine nicht, sondern spreche, ich habe dich so lange nicht gesehen und nicht gehört – Aber weinet ihr beide nur; euere Tränen machen mich nicht mehr weich, in meine heißen Augen kamen, solang ich liege, keine – o weinet sehr bei mir: wenn man träumt, man wein’ auf einen Toten, so bedeutet es Gewinn. – – Ja, ihr zwei schönen Seelen, ihr findet niemand, der euch gleichen, der euere Liebe verdienen kann, ihr seid allein – O Beata, auch Gustav liebet dich und sagt es nicht – Wenn du dein schönes Herz noch hast, so gib es ihm, auf der ganzen Erde verdient nur ers, gib es ihm – du machest ihn und mich glücklich, aber gib mir kein Zeichen, wenn du ihn nicht lieben kannst.« Jetzt ergriff er noch die Hand Gustavs, dessen Gefühle gegeneinander wehende Stürme waren, und sagte mit aufgerichteten Augen der beglückenden Tugend: »Du unendliches gütiges Wesen! das mich zu sich nimmt, schenke diesen zwei Herzen alle schöne Tage, die mir vielleicht hier beschieden waren – ja nimm sie aus meinem künftigen Leben, wenn ich etwa in diesem keine mehr zu erwarten hatte.« Hier zog der fallende Körper die fliegende Seele zurück; ein Tropfen in seinem Auge verkündigte die schwere Erinnerung an seine zertrümmerten Tage; drei Herzen bewegten sich heftig; drei Zungen erstarrten; diese Minute war zu erhaben für den Gedanken der Liebe – bloß die Gefühle der Freundschaft und der andern Welt waren groß genug für die große Minute….
    Ich bin jetzt nicht imstande, von den Folgen der letzten und von jemand anders zu reden als vom Sterbenden. Seine zurückgespannten Nerven bebten in einem entkräftenden Schlummer fort. Die erschöpfte, betäubte Beata ging mit ihrer Mutter ab. Gustav sah nichts mehr, kaum jene. Der Vater hatte keinen Trost und keinen Tröster.
    Der Fieberschlummer währte fort bis nach Mitternacht. Eine totale Mondfinsternis hob den Himmel und zog das erschrockne Auge des Menschen empor. Gustav sah, bewegt und gequält, naß zu dem weltenhohen Erdschatten hinauf, der am Monde wie an einem Silhouettenbrette lag. Er verließ die Erde, sie wurd’ ihm selber ein Schatten: »Ach!« dacht’ er, »in dieser hohen fliegenden Schatten-Pyramide werden jetzt tausend rote Augen, wunde Hände und trostlose Herzen stehen und werden eingegraben, damit der Tote noch finstrer liege als der Lebendige. – Aber rückt denn nicht dieser Schatten-Polyphem (mit einem Mondauge) täglich um diese Erde herum, und wir bemerken ihn nur dann, wenn er sich auf unserem Mond anlegt…. Und so denken wir, der Tod komme nicht eher auf die Erde, als bis er unsern Garten abmähet…. und doch ist nicht ein Jahrhundert, sondern jede Sekunde seine Sense.«…. Auf diese Art betrübte und tröstete er sich unter dem beflorten Mond – Amandus wachte ängstlich auf; beide waren allein; der Mond ruhte mit seinem Schimmer auf seinem kranken Auge; »Wer hat denn den Mond zerschnitten,« (sagt’ er sterbheiß), »er ist tot bis auf ein Schnitzchen.« Auf einmal wurden die Stubendecke und die entgegengesetzten Häuser flammend rot,

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